Da wo niemand Donald Trump wählt

Da wo niemand Donald Trump wählt

5. Oktober 2020 2 Von Sinakaii Cheops

Donald Trump hat eine sehr realistische Chance am 3. November 2020 zum zweiten Male zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt zu werden. Seine Wähler sitzen überall, in kleinen und großen Städten, in reichen und armen Landesteilen, in nördlichen und südlichen Bundesstaaten. Und trotzdem gibt es sie, kleine unbedeutende Gemeinden die aus der politischen Landkarte Amerikas herausragen wie ein Golfball aus einer afrikanischen Schokoladentorte. Kleine Gemeinden, in denen niemand, wirklich absolut niemand Donald Trump wählt! Und das obwohl Donald Trump in den Vereinigten Staaten absolut omnipräsent ist. Er ist derart präsent, dass man sich eine Wahl ohne ihn eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann.

Erörtern möchte ich diese politische Ausnahmeerscheinung der Null-Prozent-Trump Gemeinden am Beispiel von Mike und Greg, zweier Freunde aus Gainesville, einer kleinen Gemeinde im äußersten Nordwesten Pennsylvanias. Und Gainesville, ja Gainesville ist eine dieser Null-Prozent-Trump Gemeinden. Mike und Greg sind zwei typische Einwohner Gainesvilles. Sie kennen sich aus dem College, beide sind achtzehn, und haben somit zum ersten mal die Möglichkeit zur Wahl zu gehen. Es ist Samstag morgen, die beiden stehen mit Gregs Ford am Drive-In eines typisch amerikanischen Fastfood Restaurants, dessen Namen hier aufgrund markenrechtlicher Restriktionen nicht genannt werden darf.

„Gut, ein Big Mac Menü“, dröhnt es aus dem billigen Lautsprecher, „darf ich sie supersizen? Nur ein Dollar extra.“

„Ja, Supersize me!“, antwortet Greg.

Mike beugt sich Richtung Lautsprecher. „Welche Aktion läuft denn heute?“

„Die Signature Collection“, antwortet der Lautsprecher, „sie können wählen, entweder mit doppeltem Cheesburger, mit dem Halfpound-Burger oder dem Donald Trump.“

„Donald Trump habe ich noch nie gewählt“, antwortet Mike. „Wie ist der denn so?“

Am Lautsprecher gibt es eine kurze Pause, dann räuspert sich jemand. „Uff, also der ist wirklich sehr sehr scharf, sogar für jemanden, der scharf gewohnt ist. Und er liegt schwer im Magen. Und er verträgt sich nicht mit anderen Sachen. Und, ganz unter uns, im Abgang soll er dir echt den Arsch verbrennen – sagen die Kollegen in der Zentrale – von uns hat ihn auch noch nie jemand gegessen.“

Mike schüttelt sich. „Nee, nicht zum Frühstück. Dann nehme ich das Signature Menü mit dem Halfpound-Burger.“

„Supersize?“

„Ja, Supersize me!“, antwortet Mike.

Kurze Zeit später sitzen die beiden in Gregs Ford auf dem Parkplatz und vertilgen ihre Burger zum Frühstück.

„Und, hast was vor am Wochenende?“, fragt Greg.

„Nicht so richtig“, antwortet Mike. „Hab Stress mit Trish. Ich geh nachher noch ins Tierheim und kauf ihr eines der Viecher, dann ist sie bestimmt wieder happy!“

Greg beisst in seinen Burger. „Das kommt bestimmt von der Schwangerschaft. Da sind alle Frauen so. Selber Schuld. Ich hab dir doch gesagt, du sollst aufpassen!“

„Eigentlich ist das Kind ja fast gewollt“, verteidigt sich Mike, „nur halt etwas zu früh.“

„Habt ihr jetzt endlich einen Namen für euer Mädchen?“, lenkt Greg das Gespräch in eine andere Richtung.

„Gewählt haben wir noch nicht, aber wir haben zwei in der Endauswahl.“, antwortet Mike, sich eine Handvoll Pommes nehmend. „Entweder Patricia oder Melanie“

„Ich würde Melanie nehmen“, sagt Greg.

Mike greift nach seiner Cola „Wäre es nach mir gegangen, dann stände noch ein weiterer Name zur Wahl: Donald Trump. Das war eigentlich mein Favorit. Ich hätte es toll gefunden, wenn meine Tochter Donald Trump heißen würde. Aber als ich das Trish gesagt habe, ist sie total ausgetickt.“ Mike nimmt ein paar Schlucke. „Deshalb haben wir jetzt den Stress. Und deshalb werden wir eben nicht Donald Trump wählen, sondern Patricia oder Melanie. Wie lange hat das verdammte Tierheim heute eigentlich auf?“

„Apropos schließen, gib mir ne Minute“, wirft Greg ein, legt seinen Burger auf die Seite und wählt auf seinem Handy eine Nummer.

„Was ist denn?“, fragt Mike.

„Ach, hab Probleme mit meinem Handy Vertrag bei Southeast-Telecom. Und ich glaube die Hotline ist heute nur bis Mittag besetzt.“

An seinem Handy meldet sich eine Bandstimme: „Vielen Dank, dass sie die Hotline der Southeast-Telecom“ gewählt haben.

Bitte wählen sie die Eins für: Technische Probleme

Bitte wählen sie die Zwei für: Administrative Probleme

Bitte wählen sie die Drei für: Neuvertrag

Bitte wählen sie die Vier für: Donald Trump

Greg verdreht die Augen. „Na super. Die haben mir mein unbegrenztes Datenvolumen gesperrt. Ich will das wieder haben. Was soll ich jetzt wählen?“

„Nimm doch die Drei für Neuverträge, da kommst immer zuerst dran. Bei den anderen lassen sie dich warten.“, antwortet Mike.

„Nein, ich will ja keinen neuen Vertrag.“

„Na dann wähl halt Donald Trump, dann kommt alles wieder in Ordnung. So wie es früher war!“

„Was genau sind denn administrative Probleme?“, fragt Greg.

Mike taucht zwei Pommes in die Majo. „Egal Donald Trump kann alles, auch administrative Probleme. Administrative Probleme ist sogar sein Spezialgebiet. Wähl die Vier, sag ich dir.“

„Nein, ich glaube ich wähle die Zwei für administrative Probleme.

Greg tippt auf die Zwei.

Prompt meldet sich am Handy die Stimme eines alten Mannes.

„Guten Tag. Sie haben die Vier gewählt: Donald Trump. Vielen Dank für ihre Stimme. Womit kann ich ihnen helfen?“

Genervt brüllt Greg in sein Handy: „Nein, ich habe Sie nicht gewählt. Ich habe die Zwei für administrative Probleme gewählt und nicht die Vier für Donald Trump.“

„Ach“, ertönt die enttäuschte Stimme am Handy. „Dann hat Southeast ihre Anlage wieder falsch programmiert. Tut mir leid für ihre Unannehmlichkeiten. Ich würde mich freuen, wenn sie mich beim nächsten mal wählen würden. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag.“ Der alte Mann legt auf.

„Verdammt“, flucht Greg und steckt sein Handy wieder weg. „Das machen die mit Absicht. Egal was du wählst, am Ende landest du immer bei Donald Trump. Das läuft schon die ganze Woche so.“

Greg wirft seine Verpackungen aus dem Fenster. „Bist du fertig? Ich muss jetzt los. Muss noch bei Grandpa im Altersheim vorbei. Richtige Lust habe ich nicht, Grandpa ist schon etwas verwirrt – Manchmal. Aber Mum sagt, ich muss endlich mal wieder hin.“

Greg startet den Motor und die beiden verlassen den Parkplatz.

Keine zwanzig Minuten später steht Mike im Lakehurst Tierheim und unterhält sich mit einer jungen Angestellten. „Also was ich suche ist ein Tier für meine Freundin. Die ist schwanger. Bald sind wir zu dritt. Und dann noch ein Tier dazu, das wäre doch schön. Ich hab an einen Hund, oder ne Katze oder ne Schildkröte gedacht.“

Die Tierpflegerin lächelt ihn an. „Also Schildkröten haben wir keine. Hunde und Katzen schon. Und seit neuestem sogar einen Donald Trump.“

„Oh“, sagt Mike. „Einen Donald Trump habe ich noch nie in live gesehen. Darf ich den mal sehen?“

Die Tierpflegerin schüttelt immer noch lächelnd den Kopf. „Leider nein. Wissen sie, jeder möchte gerne mal einen Trump live sehen. Aber unserer schläft im Moment gerade. Eigentlich schläft er recht viel, er ist schon alt. Und wenn er wach ist, dann jagt er meist den Weibchen hinterher. Oder er frisst. Egal was, er mag es auf jeden Fall nicht, wenn er gestört wird. Da wird er dann sehr aggressiv.“

Die Pflegerin schüttelt sich die Haare zurecht und fährt fort „Das mit dem Donald, das habe ich eigentlich nur der Vollständigkeit halber gesagt. Unser Donald ist unvermittelbar. Für Familien ganz und gar ungeeignet. Er ist eher so der Einzelgänger. Bei Rivalen in seinem Revier, da rastet er geradezu aus. Ich würde Ihnen viel eher zu einer Katze raten.“

Während Mike noch mit der Pflegerin über die Pros und Cons von Katzen und Donald Trump diskutiert, ist Greg im Zimmer seines Großvaters im „Lakehurst center for old people“ angekommen. Sein Großvater empfängt ihn aufgeregt, ja enthusiastisch. „Na Gregi mein Lieber, schön dich zu sehen.“ Der Großvater bietet Greg den einzigen Stuhl im Zimmer an. „Ich musste oft an dich denken in den letzten Wochen. Jetzt wo du achtzehn geworden bist und wählen darfst, jetzt darfst du keine Fehler mehr machen mein Junge.“ Grandpa klopft Greg aufmunternd auf die Schultern. „Weißt du, im Leben die richtige Wahl zu treffen, das ist absolut wichtig. Triff deine Wahl. Nur deine Wahl! Lass dir von niemandem was sagen.“

„Hab ich nicht vor“, bestätigt Greg seinem Opa, der sich aufs Bett setzt. Grandpa hebt den Zeigefinger „Weißt du Gregi, wenn ich ich deinem Alter wäre, und ich müsste nochmals wählen zwischen einem Teller mit frischem Spinat, einer Flasche Schnaps und Donald Trump. Weißt du was ich wählen würde?“ Grandpa legt eine künstliche Pause ein und hebt seine Augenbrauen. „Ich würde den Schnaps wählen mein Lieber. Den Schnaps und sonst nichts. Versteht du was ich meine?“

Greg nickt. „Ja Grandpa. Verstanden. Den Schnaps. Immer den Schnaps!“

Grandpa steht wieder auf und stapft die drei Schritte rüber zu Greg. Er umarmt ihn. „Ich bin so stolz auf dich! – Dass du das verstanden hast mein Lieber. In deinem Alter war ich noch nicht so reif.“ Grandpa drückt Greg ganz fest an sich.

Da öffnet sich die Tür und Pauola, eine junge, attraktive Pflegerin aus der Dominikanischen Republik tritt ein. In ihrer Hand trägt sie ein Tablett. „Hallo Herr Wisstom. Sie haben Besuch? Wie schön, ihr Enkel?“

Sichtlich stolz nickt Grandpa. Pauola stellt das Tablett auf das Tischchen. „Ich habe ihnen das Mittagessen gebracht. Was möchten sie denn zum Nachtisch? Sie haben die Wahl: Erdbeersahne, Käsekuchen, oder Donald Trump.“

Grandpa überlegt „Was würden sie denn sagen, wenn ich heute zur Abwechslung mal den Donald Trump wählen würde?“

Die Pflegerin lacht. „Dann würde ich ihnen sagen, dass wir den nur so zum aufhübschen auf der Karte haben. In den drei Jahren die ich hier arbeite, hat noch nie jemand den Donald Trump gewählt. Deshalb macht sich die Küche gar nicht erst die Mühe ihn vorzubereiten. Es bleibt ihnen noch die Erdbeersahne oder der Käsekuchen.“

Großvater brummelt. „Dann nehme ich einmal Erdbeersahne.“

„Die ist leider aus“, antwortet Pauola, „Ich bringe ihnen dann ihren Käsekuchen.“ Sie verläßt lächelnd das Zimmer um im Gang den Nachtisch zu holen. Grandpa schaut verschwörerisch zu Greg rüber.

„Ich habe hier noch ein Geheimnis. Das habe ich noch niemanden gezeigt.“ Unter seiner Matratze zieht er einen kleinen Briefumschlag hervor. „Im Juni habe ich bei einem Preisausschreiben teilgenommen. Und schätze mal, was Greg“

„Du hast was gewonnen?“

Grandpa lacht auf, „ja mein Junge, ich habe gewonnen.“ Grandpa strahlt. „Den ersten Preis. Ich habe den ersten Preis gewonnen. Jetzt habe ich die Wahl. Entweder zwei Wochen in einen Fünfsternehotel auf Barbados – für zwei Personen. Oder ein Klapprad. Oder Donald Trump.“

Grandpa reibt sich die Hände. “Und ich habe schon gewählt. Ich wähle Barbados. Wenn Pauola mit dem Käsekuchen zurückkommt, dann frag ich sie ob sie mitfliegt!“

Nun ja, obwohl wir jetzt erst Mittag haben denke ich, sie haben verstanden, was es heißt, in einem Land zu leben, in dem Donald Trump omnipräsent ist, und diesen trotzdem nicht zu wählen. Ich könnte das Ganze jetzt noch mit sozio-psychologischen Statistiken untermauern, auf eine riesige Anzahl an Studienergebnisse verweisen oder auf die Singularität des Trumperismus eingehen, aber ich glaube, das ist nicht nötig. Sie haben verstanden. Ich möchte Ihnen keine weitere Zeit rauben. Wählen sie stattdessen lieber selbst aus, was sie mit ihrer schönen Zeit machen wollen. Vielleicht mit Pauola nach Barbados fliegen? Oder Pauolo? Das soll mir gleich sein. Viel Spaß wünsche ich Ihnen in jedem Falle!