3 Dinge – Schreibimpuls

3 Dinge – Schreibimpuls

20. März 2022 1 Von Katharina Maier

Faszinierend, wie der einfachste Schreibimpuls zu den kreativsten Texten führen kann! Ich habe nun im Laufe meiner Zeit als Schreibdozentin schon viele Anregungen gegeben. Es ist immer wieder spannend, was dabei herauskommt – für mich vielleicht teilweise noch mehr als für die Autor*innen! Ein Schreibimpuls, der aus mehreren Schritten besteht oder mit tiefer Symbolik arbeitet, kann zu tiefschürfenden, überraschenden Texten anregen – aber manchmal auch zu viel des Guten sein. Einfache Schreibaufgaben – oder „Challenges“, wie sie heutzutage heißen 😉 – können da zuweilen sogar eher zu einem spannenden Ziel führen.

Meine Schreibanregung für euch!

Ich selbst erfreue mich gerade an solch einfachen Schreibanregungen, die mir tolle kreative Freiräume eröffnen. Aber dazu später mehr. Zunächst möchte ich euch einen Schreibimpuls geben, der in meinem Kursen schon zu zauberhaften Texten geführt hat. Ein Schreibimpuls aus 3 Dingen:

Ein zu früh gefallenes Blatt

Eine himmelblaue Quietscheente

Eine rote Ampel

Sonst gibt es keine Vorgaben. Es sollen einfach nur diese drei Elemente auf irgendeine Art und Weise in einen Text verarbeitet werden. Lasst euch selbst überraschen!

Es würde mich sehr freuen, wenn sich der eine oder die andere tatsächlich zu einem Text inspirieren lässt. Gerne den Text unten in den Kommentaren teilen oder an mich schicken, entweder unter autorin@katharina-maier.de oder über das Kontaktformular auf meiner Homepage.

Jede Woche 3 Wörter von @anovelunique

Wie komme ich eigentlich auf das Thema? Ganze einfach: Ich kenne die Magie der 3er-Schreibanregungen selbst schon lange, hatte sie aber schon einige Zeit nicht mehr beschworen. Schließlich will ich meinen Schreibenden immer unterschiedliche Impulse bieten – mal einfache, mal kompilzierte, mal visuelle, mal auditive, mal offene, mal sehr technische. Und irgendwie ist dabei die Sache mit den 3 Dingen für mich etwas in den Hintergrund geraten. Wenn schon Dinge, so dachte ich mir, müssen es 5 oder 7 oder gar 10 sein!

Bis ich vor ein paar Wochen auf Instagram auf die tolle Challenge von @anovelunique alias Monica Becker gestoßen bin. Jeden Freitag präsentiert sie unter #dreiwörtereintext das, was der Hashtag schon sagt: drei ganz verschiedenen Wörter, aus denen ein Text von höchstens 2000 Anschlägen entstehen darf.

Wer von euch auf Instagram ist und gerne schreibt, sollte unbedingt bei @anovelunique vorbeischauen und #dreiwörtereintext abonnieren. So viel Spaß hatte ich beim spontanen Schreiben schon lange nicht mehr!

Übrigens: Monica Becker ist Lektorin speziell für Selfpublisher*innen im Bereich Phantastik. Schaut doch mal auf ihrer Homepage anovelunique vorbei!

#lektorinnensoldarität

Eine Ablegergeschichte aus einem Schreibimpuls

Es ist einfach faszinierend, wie drei kleine Wörter (oder Begriffe) die Kreativität anregen und einen Freiraum für die Vorstellungskraft erschließen! Gleichzeitig hat es mich erstaunt, dass diese drei Wörtchen auch ein gutes Gerüst oder vielleicht eher einen tollen roten Faden für eine Geschichte hergeben. Anstatt auf die blanke, weiße Seite zu starren hast du als Schreibende*r plötzlich drei Fixpunkte, wenn nicht gar Fixsterne, die dich durch den Text führen.

Die erste Geschichte, zu der ich mich von Monica inspirieren ließ, ist das, was ich eine „Ablegergeschichte“ nenne: eine kleine Nebenerzählung zu meiner Science-Fantasy-Geschichte „Der Sohn“. Schreibimpuls war:

Sternschnuppe

Kraut

rotgeweint

Roke war immer noch ein Kind, obwohl er schon sehr lange eins gewesen war. Länger, viel länger als die anderen auf der Insel. Eigentlich wollte er kein Kind mehr sein, aber er wusste nicht, wie man damit aufhörte. Seine Mutter konnte es ihm nicht sagen; sie war nie ein Kind gewesen.


Seine Mutter war vom Himmel gekommen. Wie eine Sternschnuppe war sie aus der Nacht gefallen. Das hatte zumindest die alte Heta Roke erzählt. Roke konnte sich gut daran erinnern, wie Heta jung gewesen war. Jetzt jedoch war sie alt und erzählte Dinge, die nicht immer wahr waren. Aber manchmal eben doch.


Vielleicht war Roke deshalb in dieser Nacht auf einen der abgerundeten Hügel gestiegen, die sich aus der Ebene zu Füßen des alten Vulkans erhoben. Er wollte sehen, wie die Sterne vom Himmel fielen. Das würde heute passieren, hatte Heta gesagt. Also hatte Roke sich aus der Hütte seiner Mutter geschlichen und war gelaufen so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Die Insel hatte ihm dabei geholfen; Baumwurzeln hatten ihm den Weg geebnet und das Gras hatte ihn in Wellen den Hügel hinaufgetragen.


„Roke, das war nicht die Insel, das warst du“, hätte seine Mutter zu ihm gesagt. Roke begriff den Unterschied nicht ganz.


Und jetzt stand Roke auf dem einsamen Hügel mitten auf seiner Insel, den Kopf in den Nacken gelegt, und über ihm regneten Sterne aus der Schwärze. Aber- und aberviele, mehr als er jemals zählen konnte, rasten über den Himmel und verglühten. Es war so schön und so traurig, dass es Roke am ganzen Körper beben machte. Um ihn herum schoss das Kraut in die Höhe, immer höher, bis er die sterbenden Sterne nicht mehr sehen konnte. Roke wusste nicht, wie die Pflanzen hießen, die er aus dem Boden trieb, aber zum ersten Mal in seiner Existenz begriff er, dass seine Mutter recht hatte: Das machte nicht die Insel. Das war er.


Als er in dieser Nacht zurück zur Hütte seiner Mutter kam, waren Rokes Augen rotgeweint. Und als Tem ihn in die Arme schloss, da wusste er: Er wollte wachsen. Und so geschah es.

„Der Sohn“ ist zu lesen in der Anthologie „Dazwischengeschichten“ von uns Schreibern und Sammlern!

Ein Anfang aus einem Schreibimpuls

Eigentlich hatte ich gedacht, mit der Ablegergeschichte sei es getan. Aber dann kam die nächste Woche und die folgenden drei Wörter von Monica:

düster

Webstuhl

Glitzer

Schwer und dick tauchte die Titanide in die fetten, schwarzen Wolken ein, die über dem Horizont hingen. Ein wenig traurig sah Iambe dem Planeten beim Untergehen zu. Die gewaltige Gasriesin war die Quelle allen Lebens auf den Monden, die sie umkreisten. Ohne sie wäre alles düster und leer, so hieß es in den alten Geschichten. Zu weit weg waren die beiden Sonnen, zu alt die Raumschiffe, die die Menschen einst hergebracht hatten.


„Iambe!“, drang die Stimme ihrer Mutter durch die offene Haustür. Es klang wie das Zwitschern eines Nachtnymphs. Etwas tief in ihrem Innern tat unendlich weh.


Kalliope saß drinnen am Webstuhl und erschuf mit schlanken Fingern ein Geflecht aus Klängen. Aus leerer Luft, so mochte es jedenfalls für einen Fremden erscheinen. Doch selbst Iambe konnte die Tonfäden in der Luft glitzern sehen, zart und dünn wie Seide und stark wie das Gewebe der Welt. Es war der Stoff, aus dem der Mond gemacht war, auf dem sie lebten. Richtig verstehen konnte das keiner.


„Hast du Hunger?“, fragte Kalliope.


„Nein.“


„Er kommt nicht früher zurück, nur weil du nichts isst.“


Iambe schob das Kinn nach vorne. „Vielleicht kommt er ja gar nicht zurück.“


Kalliope warf ihr einen Seitenblick zu, der sagte: Darüber scherzt man nicht. Iambe rieb sich die dünnen Arme. So hatte sie das nicht gemeint. Ihr Bruder würde wiederkommen. Ohne ihn wäre alles düster und leer.
Ihre Mutter stand vom Webstuhl auf und der Klangteppich klirrte. Iambe stellten sich die Armhärchen auf.


„Komm mit, Kind.“


Wortlos folgte sie ihrer Mutter nach draußen. Wortlos war manchmal besser.


Draußen hatte der leuchtende Körper der Titanide die Wolkendecke durchbrochen und überzog die Felder mit Glitzer. In der Nacht davor hatte es Töne geschneit.


Kalliope wies mit einer ausladenden Bewegung über das Glitzermeer. Am weinroten Himmel funkelten erste Sterne.


„Am Ende ist immer Licht und Musik“, sagte Kalliope.


Iambe war sich nicht sicher, ob sie ihr glaubte.

Und so war unversehens der erste Schnipsel meines neuen Science-Fantasy-Unversums der „Homonoia“ entstanden! So oder so ähnlich wird die erste Geschichte über die Monde um die Titanide beginnen. Erscheinen wird sie in der Space-Opera-Anthologie „Sternenglut – Reisen ins Grenzenlose“. Diese kommt im Juli 2022 heraus und ist jetzt schon auf amazon vorbestellbar. Band 1 der Reihe gibt es schon! 🙂

Doch Eigenwerbung hin oder her: Das ist nun schon der zweite Einstieg in eine neue Geschichte, der mir dank einem Schreibimpuls auf Instagram gelungen ist. Ich bin begeistert!

Ein Rätsel aus einem Schreibimpuls

Etwas völlig Eigenes entstand aus den drei Begriffen

in Flammen

Wintersonne

Erzfeind

Rot ist der Herbstwald, als stünden die Wipfel in Flammen.


Das Jahr der Wintersonne bricht an, kalt wie Eis ist das Licht.


Am andern Ende des Waldes wartet mein Erzfeind auf mich.


Im Wind weht seine Angst, ich sauge sie in meine Lungen ein.


Wie Erde und Blut riecht sie, wie Bittermoos und Vergänglichkeit.


Ein Lied hat mir mein Stamm gesungen, ein Lied des Abschieds.


Spitz sind meine Krallen und in meinem Kiefer wohnt ein Tod.


Sein Tod. Rot der Wald. Kalt das Licht. Angst in der Luft. Erde.


Ich wende mich ab. Hinter mir stehen die Wipfel wie in Flammen.

Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich das Textchen benennen sollte. Dank @camilliaphilips alias Alke Stachler habe ich die Bezeichnung „Prosaminiatur“ dafür gefunden. Alke ist eine ganz wunderbare Lyrikerin! Besucht sie doch mal auf ihrer Homepage quadratur-des-herzens

#dichterinnensolidarität

Eine Prosaminiatur aus einem Schreibimpuls

Eine weiterer solcher Kurztext erwuchs aus den Wörtern

Band

Dampf

Blut

Dampf liegt wie ein Band über dem See, ein breites Band, ein Laken.


Ja, ein Laken breitet sich über das Wasser, es ist still, schluckt jeden Laut

.
Und doch: Laut rauscht mir das Blut in den Ohren, ein Geräusch in mir.


In mir. Nicht draußen über dem See. Nicht drinnen im Zimmer. Tiefer.


So tief, dass ich es sonst nicht höre. Warum dann jetzt an diesem See,


diesem heißen See, der Dampf in die kalte Luft schwitzt, frage ich mich.


Und ich frage mich, warum du nicht hier bist, wo du sein solltest.


Ja, du solltest jetzt hier sein, bei mir, hier, wo das Blut der Erde kocht,


kocht wie mein Blut. Und doch bin ich ohne dich hier, allein mit dem Dampf,


dem Dampf vor meinem Fenster, der sich wie ein Laken über den See legt.


Und ich lege mich zurück unter mein Laken, es ist still, schluckt jedes Geräusch.


Nur das Geräusch in mir, das bleibt. Du bist nicht geblieben. Soll ich fragen, warum?

An diesen Prosaminiaturen habe ich richtig Gefallen gefunden. Vielleicht wird da ja irgendwann mal ein Büchlein draus! Das trägt dann, inspiriert von Alke Stachler, den Titel „Prosaminiaturen auf der lyrischen Seite des Spektrums“. 🙂