Ein neues Ziel

Ein neues Ziel

20. Januar 2020 0 Von Sinakaii Cheops

Ich bin die neunte Reinkarnation des Pharao Cheops, des uneingeschränkten Herrschers über Ober- und Unterägypten, Sohn des Sonnengottes Rah, Bezwinger der Sumerer bei Helios, Begründer der zweiten Dynastie. Mit Unterbrechungen bin ich nun schon über viertausend Jahre alt. In dieser Zeit erlebt man so einiges. Aber so einen blöden Traum wie gestern, so einen blöden hatte ich noch nie.

Ich habe geträumt, ich hätte mich einfrieren lassen, damit man mich dann dreihundert Jahre später wieder auftaut. Ihr wisst schon, in diesen speziellen Behältern, bei minus 176 Grad und so. Ein Team von Wissenschaftlern um Arnold Schwarzenegger hat mich dann wieder aufgetaut. So weit, so gut – wäre der Traum hier zu Ende gewesen, dann wäre alles gut gewesen. Aber der Traum war halt nicht zu Ende. Frisch aufgetaut ging ich in meiner dreihundert Jahre alten Jeans und genauso alten Socken und Nike-Basketballstiefeln nach Hause. Vor meiner Wohnungstür traf mich dann fast der Schlag. Dort lag ein riesiger Berg Zeitungen! Verdammt! Ich hatte wohl vergessen die Augsburger Allgemeine zu kündigen! Ich glaube in dem Berg hatte sich schon ein Dachs seinen Bau eingerichtet. Vielleicht war es auch ein Biber. Ich kann die nicht so unterscheiden, beide sind klein, fett, stinken und machen überall hin. Na wie dem auch sei, ich habe mich zu meiner Wohnung durchgekämpft und dann gleich bei der Augsburger Allgemeinen angerufen um mich über die Modalitäten der Rechnungsbegleichung zu verständigen. So viel Geld hatte ich ja nicht so einfach auf der hohen Kante. Im Traum haben wir uns dann darauf verständigt, dass ich so lange die Zeitung austrage, bis ich meine Schulden getilgt habe. Und genau da fängt dann der schwarze Teil meines Traumes an. Ich musste jeden Morgen um zwei Uhr aufstehen, um die Zeitungen im Verlagsgebäude in der Kurt-Frenzel-Straße in Lechhausen direkt beim Chefredakteur abzuholen. Mit vier Zeitungen auf dem Gepäckträger meines Fahrrades bin ich dann bis nach Meitingen geradelt, um sie dort zuzustellen. Und das jeden Morgen, zweiunddreißig Jahre lang! Außer einmal, da hab ich verschlafen. Das gab vielleicht eine Szene, das kann ich euch sagen. Hätte seine Assistentin ihn nicht zurückgehalten, dann hätte mich der Chefredakteur glatt gemeuchelt. Aber sonst lief es immer glatt. Ich musste also zweiunddreißig Jahre lang mitten in der Nacht am Lech entlang bis nach Meitingen radeln. Mit so einem gemeinen Klapprad aus den Achtzigern. So eines mit winzig kleinen Rädchen und einer Schraube, damit man das Rad auseinandernehmen und in den Kofferraum legen kann. So ein richtig fieses Fahrrädchen. Ein Graus! Und ich hatte jede Nacht einen Platten. Und ich hatte nie Flickzeug dabei. Und es hat jede einzelne Nacht geregnet. Und das, wo ich doch so sonnenverwöhnt bin. Und es war sooo kalt und sooo windig! Die Kälte drang mir bis auf die Knochen. Und der Wind auch. Ein echter Alptraum eben. So einen fiesen Traum hatte ich in viertausend Jahre nicht!

Ich glaube, ich bin schon zu lange als neunte Reinkarnation unterwegs. Ist auch nicht gerade meine beste Reinkarnation. Ich brauche mehr positive Erlebnisse, nicht, dass ich ab jetzt immer solche Alpträume habe. Ich muss an meine Zukunft denken, planen, irgendwas Positives tun. Deshalb habe ich mir Gedanken über meine Zukunft gemacht. Da fiel es mir wie heiße Schuppen von den Augen. Oh mein Gott – ich erkannte, dass ich schon mindestens zwanzig Jahre zu spät war. Sofort rannte ich runter in den Fahrradkeller, schnappte mir mein Klapprad und auf ging‘s zum Bauamt. Dort habe ich einen Bauantrag gestellt. Für eine Pyramide. In Haunstetten. So mit ungefähr zwei mal zwei Kilometer Grundfläche. Ich habe sogar eine kleine Skizze mitgeliefert. Die Farbe der Pyramide ist mir egal. Die kann man so auswählen, dass sie sich angenehm ins Umfeld einfügt. Und falls jemand Solarpaneele draufstellen will, das geht auch klar. Ich bin ja für Umwelt und so. Nicht, dass meine zehnte Reinkarnation dann in der Scheiße leben muss, die ich heute verursache. Ist ja bei uns Pharaonen so: Wenn du dich in der neunten Reinkarnation nicht kümmerst, dann kannst du in der zehnten Reinkarnation den ganzen Schlamassel ausbaden. Nee, das ist nicht so mein Ding.

Also bei meiner Pyramide, da bin ich in vielen Dingen flexibel. Nur nicht bei der Tür. Die muss massiv sein. Und abgeschlossen. Und wenn ich sage abgeschlossen, dann meine ich abgeschlossen. Also nicht nur angelehnt, oder zugezogen. Nein, richtig zu! So ganz und gar zu. Absolut zu. Ich hasse es, wenn ungebetene Besucher hereinschneien und alles fotografieren. Die lassen dann auch einfach so mir nichts, dir nichts, ein paar Kleinigkeiten mitgehen. Deinen Aschenbecher, deinen Bademantel, deine Pantoffel. Um es genau zu nehmen: Die klauen einfach alles. Krass! Und keiner sperrt sie ein! Und ich soll mir dann Jahre später alles wieder in den Museen zusammenklauben, oder was? Niemals! Diesen Fehler mache ich nicht nochmal. Daher: Es gibt drei Dinge, die beim Pyramidenbau zu beachten sind: Die Tür, die Tür und nochmals die Tür. Und dazu stehe ich. Meinen Bademantel hab ich bis heute nicht zurückgekriegt!

Ach übrigens: Dieses „für ein paar hundert Jahre eingefroren werden“ ist ein ganz passabler Ersatz für alle, die nicht automatisch reinkarniert werden. Ihr müsst halt nur darauf achten, die Zeitung abzubestellen, und euch ein paar Pizzen mitzunehmen – für den kleinen Hunger zwischendurch. Ich hatte mir Knoppers mitgenommen. Reicht nicht – ich empfehle Pizza. Aber ohne Sardellen, ich hasse Sardellen. So, und jetzt muss ich Schluss machen, Frau Grieben-Niederbach vom Bauamt hat angerufen und aufs Band gesprochen. Sie hat da noch ein paar Rückfragen. Sie möchte wissen, ob ich das historische Rathaus und den Bahnhof tatsächlich abreißen möchte. Also ehrlich gesagt ist mir das egal. Wenn sie eine andere Idee hat, wie wir die Prachtstraßen zur Pyramide legen können, dann kann sie damit gerne rüberkommen. Wie gesagt, ich bin da flexibel. Nur nicht bei der Tür!