
Blaue Mea
„Das ist keine Romanze.“
Mea nennt ihre Träume blau gefiedert und tief,
warm wie ein Nest und weit wie das Meer.
Ich nehme die Glaspfeife vom Tisch.
Blaue Schleier steigen zur Decke. Mea schläft nicht. Sie fliegt.
Fallen. Dazwischen ist Nichts.
Nur Mea, das Bett, blaue Laken und ihre Haut.
Sie nimmt sich, was sie braucht. Ich falle in sie hinein.
In Mea. Sonst nichts.
„Das ist keine Romanze“, sagt sie, im tiefem blauen Rauch
und wir nehmen uns was wir brauchen.
Ich lache, weil ich nicht weiß, was Dazwischen ist.
Untersuche mein Gesicht im Spiegel.
Ich lache und Mea lacht.
„Anna“, sagt Mea.
„Ich weiß“ , sage ich im Dazwischen, und falle.
Davor wusste ich nicht, wie sich fallen anfühlt.
„Wenn man fällt, muss man wieder aufstehen“ , sagte Tom, als er von der Schule flog.
Aber er stand nicht mehr auf. Er fiel von einem fahrenden Zug.
Ich bin ok. Mam weint sich in seinem Bett in ihren Schlaf,
in ihre Träume,
die, wie sie sagt,
schwarze Löcher sind,
in die sie ihn fallen sieht.
Mich sieht sie gar nicht mehr.
Ich bin die Dunkelheit,
die bewölkte Nacht
und bin müde von ihren Wolkenworten.
Würde am liebsten fallen.
Jeden Tag.
Mea kannte Tom besser als ich.
Seine Totenkopf – Tattoos,
die Metallringe in seinen Ohren,
und die unter seiner Unterwäsche.
Sie färbten sich ihre Haare blau,
so blau, wie Pazifik.
Tom nannte sein Motorrad Pazifik.
Es fühlt sich zwischen meinen Beinen warm wie ein Pferd an.
Eines, das nach Benzin riecht.
Ich mag diesen Geruch,
umklammere Meas Hüfte,
während wir an der Küste fahren.
Die Sonne steht tief. Das Meer glitzert.
Ich fühle Pazifik in meinem ganzen Körper.
„Lass Los!“, ruft Mea und der Fahrtwind reißt an meinen Fingern.
Mea half Tom auf den Zug.
Sie ist wie der Tod. Ich verurteile nicht,
suche mir nicht aus, wer schuld hat.
Und Mea mag es zu sehr,
wenn Menschen mit ihr um die Wette laufen.
Sie schneidet mir meine langen Haare ab,
am Strand, während die Sonne uns streift
und die Dunkelheit von allen Seiten kommt.
Seit ich keine Angst mehr vor ihr habe,
bin ich selbst die Nacht,
der blaue Mond,
der Ozean und der Tod. Ich gehöre zu ihnen wie zu Mea.
Davor gehörte ihr Tom.
Hinter geschlossenen Augen sehe ich, wie sie sich geliebt haben,
ohne es genau zu wissen, ohne es zu wissen.
In den Weiten,
den Wellen
auf glitschigen Felsen
zwischen den zerklüffteten Buchten
unter wolkenverhangenen Schlamm.
Ich lege meinen Kopf in Meas schuppigen Schoß,
rieche Salz
und Mea vergräbt meine Haare im Sand.
Im schwarzen Wasser
zieht sie mich nach unten
auf den dunklen Grund
Sie weiß
ich kann hier nicht überleben
Mea liebt mich trotzdem
im nassen Abgrund
Mit all ihrer Kraft
Ich habe keine Chance
Der Tod gehört zu mir
wie Mea.
Eine meiner Lieblingsgeschichten von dir!