Von Galliern, Göttern, Gänsen und Moneten. Wie das Geld zu seinem Namen kam.
Das Jahr 387 vor unserer Zeit. Ganz Rom ist von Galliern besetzt. Ganz Rom? Nein, eine kleine Gruppe unbeugsamer Römer leistet auf dem Kapitol, dem Burgberg, Widerstand gegen die Eindringlinge.
Im vierten Jahrhundert vor unserer Zeit siedelten die Gallier nicht nur im heutigen Frankreich und in Süddeutschland, sondern auch in der Poebene. Von da aus brachen sie immer wieder zu Plünderungszügen nach Italien auf. Gallier ist die lateinische Bezeichnung für die Kelten.
Am 18. Juli 387 stellten sich die Römer dem gallischen Stamm der Senonen an der Allia, einem kleinen Nebenfluss des Tibers, entgegen. Doch schon beim ersten Ansturm der Gallier gerieten die Legionäre in Panik und flohen. Die Schlacht war verloren. Die Krieger aus dem Norden besetzten daraufhin Rom, das zu dieser Zeit noch nicht von einer Mauer geschützt wurde, plünderten und brandschatzten die Stadt. Einer Gruppe unter dem ehemaligen Konsul Marcus Manlius gelang es jedoch, sich auf das Kapitol zurückzuziehen und die Angreifer zurückzuschlagen. Auf diesem Hügel erhob sich der Tempel des Göttervaters Jupiter, das wichtigste Heiligtum der Stadt. Auch ein kleines Heiligtum der Juno, Göttin der Geburt und der Ehe, befand sich dort. Dank der steilen Flanken des Hügels war das Kapitol leicht zu verteidigen. Dem römischen Historiker Livius zufolge begannen die Gallier das Kapitol zu belagern.
Doch in einer hellen Nacht, so wiederum Livius, entdeckte ein Kundschafter der Gallier eine Route durch den Fels, möglicherweise an der Südseite des Hügels. In völliger Stille kletterten die Krieger hinauf. An den steilsten Stellen halfen sie sich gegenseitig, zogen einander hoch und reichten sich ihre Waffen hinauf. Die römischen Wachen schliefen. Kein Hund bellte. Die Gallier erreichten das Plateau des Hügels, bereit die letzte Bastion Roms zu nehmen. Da durchbrach das Schnattern und Flügelschlagen der Gänse, die dort als heiligen Tiere der Göttin Juno gehalten wurden, die Stille. Marcus Manlius erwachte. Schnell erfasste er die Situation, brüllte seine Kameraden aus dem Schlaf und ergriff die Waffen. Mit seinem Schild stieß er den ersten Gallier zurück in die Tiefe. Im Fallen riss der mehrere seiner Kameraden mit in den Abgrund. Gemeinsam gelang es den Verteidigern die Feinde zurückzuschlagen und den Angriff abzuwehren. Die Gänse hatten Rom gerettet!
Angeblich, so Livius, fanden die Römer einen Schuldigen für die Beinahe-Katastrophe, einen Soldaten, der als Wachhabender eingeschlafen war. Zur Strafe wurde der Mann ebenfalls vom Kapitol in die Tiefe gestoßen. Sieben Monate sollen die Gallier das Kapitol belagert haben. Da sie jedoch mit der Zeit an Lebensmittelknappheit litten und eine Seuche ausbrach, einigten sie sich mit den Römern auf Verhandlungen. Schließlich erkauften sich die Römer den Abzug der Gallier mit Gold.
Eine dauerhafte Besetzung Roms lag sicherlich nicht der Absicht der Gallier, die ihre Wohnsitze in der Poebene hatte. Ihr Ziel war von Vornherein Beute gewesen. Davon sollten sie genug bekommen. Als die Gallier, so Livius, das geforderte Gold für den Abzug abwogen, soll sich der römische Unterhändler beschwert haben, dass die Gewichte zu schwer, also gefälscht waren. Daraufhin warf der gallische Anführer Brennus zusätzlich noch sein Schwert in die Waagschale und rief: „Vae victis“ – wehe den Besiegten.
Livius zufolge sollen die Gallier Rom mit Ausnahme des Kapitols niedergebrannt haben. Doch Historiker und Archäologen sind sich heute ziemlich sicher, dass die Stadt nur in sehr begrenztem Maße zerstört wurde.
Für die Römern war klar, dass die Gänse auf die Anweisung der Juno geschnattert hatten. Denn die Göttin hatte die Stadt und ihre Bewohner nicht aufgegeben. Daher gab man ihr den Beinahmen die Mahnende bzw. die Warnende. Lateinisch heißt das Moneta, von monere, erinnern, mahnen, warnen, also Juno Moneta.
Die Geschichte trägt viele Züge einer Legende. Es kann nicht einmal als gesichert gelten, dass die Römer das Kapitol wirklich gegen die Angreifer halten konnten. Die Niederlage an der Allia und die Eroberung Roms durch die Gallier war für die Römer ein zutiefst traumatisches Ereignis, das sich tief ins kollektive Gedächtnis eingegraben hatte. Möglicherweise entstand im Laufe der Zeit eine Geschichte, die die traumatische Begebenheit abmilderte. Und zwar, indem man sich erzählte, dass zumindest das Kapitol gehalten werden konnte – dank der Göttin Juno und ihrer Gänse. Definitive Aussagen können hierüber jedoch nicht getroffen werden. Die Erzählung von den Gänsen ist auch nur eine von mehreren, die im alten Rom zur Erklärung des Beinamens der Göttin kursierten. Sie ist aber wohl die schönste.
Nach dem Abzug der Gallier begannen die Römer, die Stadt mit einem elf Kilometer langen Mauerring zu umgeben. Reste der zehn Meter hohen Mauer aus Tuffstein sind heute noch nahe des Bahnhofs Roma Termini zu sehen.
Um das Jahr 345/344 v.u.Z. wurde auf dem Kapitol anstelle des kleinen Heiligtums der Juno Moneta ein großer Tempel errichtet.
Die Münzgeldwirtschaft hatte in Rom spät Einzug gehalten. Im vierten Jahrhundert bezahlte man noch in Naturalien, besonders mit Vieh. Das lateinische Wort für Geld, pecunia leitet sich ab von pecus, Vieh. Zudem benutzte man Kupferbrocken, die man abwog und gegebenenfalls mit dem Beil kleine Stücke davon abhackte. Ende des vierten Jahrhunderts begann man Kupferbarren zu gießen. Zu Beginn des dritten Jahrhunderts vor unserer Zeit führte man schließlich gegossene Bronzemünzen ein.
Zur gleichen Zeit – möglicherweise im Jahr 289 v.u.Z. – errichteten die Römer eine Münzprägestätte im oder neben dem Tempel der Juno Moneta . Mit der Zeit übertrugen die Menschen den Beinamen der Göttin auch auf die römischen Münzen – zunächst das As, später kamen Sesterz und Denar dazu. Aus dem Lateinischen fand das Wort seinen Weg in die europäischen Sprachen: Das italienische moneta (Münze, Geldstück, Kleingeld) leitet sich ebenso davon ab wie das französische monnaie und das englische money. Auch im Deutschen spricht man umgangssprachlich von Münzen als Moneten. Irgendwie bezeichnend, dass schon im Namen des Geldes eine Mahnung bzw. Warnung steckt.
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