Wie schreibt man ein Buch auf einer Weltreise?
Im Oktober 2018 hielt es mich nicht mehr in meiner Heimat und ich musste in die Welt hinaus. Ich kündigte meinen Job, lagerte meine Möbel ein, weil ich die Wohnung aufgab, und kaufte mir ein One-Way Ticket nach Asien.
Zwei Dinge wollte ich tun: Reisen und Schreiben.
Aber geht das überhaupt?
Überlegen wir mal, welche Bedingungen wir brauchen, um ein Buchprojekt durchzuziehen:
Als erstes, einen Alltag, damit man eine Schreibroutine hat.
Als nächstes einen ruhigen Ort, an dem man sich konzentrieren kann.
Am besten auch noch Internet für Recherchen.
Und eine Schreibgruppe wäre nicht schlecht, die einem Feedback gibt und ein schlechtes Gewissen, wenn man zu lange nicht geschrieben hat.
Jetzt taucht das Problem auf. Auf einer Weltreise hat man genau diese Dinge eben nicht.
Jeder Tag ist ungewiss und jeder Ort unbekannt.
Jede Ablenkung ist interessanter als sich stundenlang an den Laptop zu setzen und zu schreiben. Heute an den Strand, morgen ins Museum, übermorgen eine Wanderung in ein Dorf im Dschungel. Man will schließlich alles gesehen haben, wenn man schon mal dort ist. Und es ist ganz sicher niemand da, der einen daran erinnert, dass man seit 4 Tagen nicht geschrieben hat.
Also geht das überhaupt? Ein Buch auf einer Weltreise schreiben?
Ich bin seit 5 Monaten unterwegs, meistens nicht länger als 2 Tage an einem Ort und doch habe ich es geschafft meinen Indien-Roman fertig zu bekommen und ein zweites Buch zu starten.
Hier meine Geschichte.
Akt 1 – Nichts geht voran
Ich startete meine Reise in Nepal. Und was macht man in Nepal? Man wandert!
Aber wandern ist sehr schlecht, um ein Buch zu schreiben, denn nach 8-10 Stunden laufen sehnt man sich nur noch nach einer Dusche und dem Bett. Das ich in den Hütten kein Strom hatte, war also eher ein zweitrangiges Problem.
Ich nahm mir vor, danach zu starten. Schließlich hatte meine Reise erst begonnen und ich musste noch nicht in Panik geraten, wenn die ersten 2 Wochen verloren sind.
Aber es wurde nicht besser.
Ich reiste mit zwei Freundinnen und wir wollten so viel wie möglich sehen. Es fühlte sich wie verschwendete Zeit an, wenn wir nicht in den Nationalpark gingen, die Yogastunde besuchten oder den Tempel fotografierten. Deswegen verschob ich das Schreiben auf Myanmar.
In Myanmar kam eine andere Freundin dazu, die ihren Urlaub mit uns verbrachte. Wieder waren wir zu dritt. Heute am Strand, dann mit dem Nachtbus in den Norden, kurz ausruhen und eine Zweitageswanderung zum See. Ich schlug mir einen Tag frei, um am See zu schreiben. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich war zu aufgedreht, musste in meinem Kopf die Eindrücke der letzten Tage sortieren und kam nur dazu Mails aus der Heimat zu beantworten. Wenigstens hatte ich irgendetwas geschrieben. Aber die ersten zwei Monate meiner Reise waren herum und ich hatte nicht viel dazu beigetragen an dem Indien-Roman zu arbeiten.
Akt 2 – zur Ruhe kommen
Ich spürte, dass ich langsamer reisen musste – zur Ruhe kommen. Es geht nicht, jeden Tag Sightseeing und abends noch schreiben. Es musste sich etwas ändern.
Ich verabschiedete mich von den Freundinnen und entschied mich, alleine weiter zu reisen. Nur so hatte ich eine Chance mein eigenes Tempo zu finden.
Taiwan brauchte ich, um die Geschwindigkeit zu drosseln. Ein Zug kann nicht in voller Fahrt anhalten. Aber ich hatte mir einen Ort ausgesucht, an dem ich zum Stillstand kommen würde und ich fieberte Indonesien entgegen.
Endlich kam ich an dem Ort an, an dem ich mir einen Alltag aufbauen wollte. Ich mietete für einen Monat eine Unterkunft, meldete mich für den Zeitraum in einem Coworking Space* an und fing an zu Schreiben. Und ich schrieb und schrieb und schrieb.
Akt 3 – im Flow sein
Die 4 Wochen in Indonesien waren sehr inspirierend für mich. Ich konnte mich ganz meiner Arbeit widmen und vielleicht am Nachmittag nochmal einen Tempel besuchen oder zum Yoga gehen. Aber ich hatte meine Prioritäten umgedreht.
In kürzester Zeit hatte ich den Indien-Roman fertig und verschickte das Manuskript an meine Lektorin.
Aber ich wollte und konnte nicht unproduktiv abwarten, bis sie mein Buch korrigiert hatte, denn ich hatte schon die nächste Idee für ein weiteres Buch. Und für das neue Buch, war ich an dem richtigen Ort.
Es heißt immer, schreib über das, was du weißt.
Und über was kenne ich mich am besten aus? Über das Reisen!
Und wen treffe ich auf meinen Reisen? Andere Reisende!
Also warum kein Buch, über das Reisen, schreiben?
Der Plot für das nächste Buch entwickelte sich innerhalb weniger Stunden. Er kam wie aus dem Ärmel geschüttelt, als gäb es nichts Logischeres als diesen Plot.
Das Ende meines Visums trieb mich aus Indonesien und ich flog nach Australien. Mein Herz war schwer, denn die letzten Wochen strotzten vor Hochgefühle und Überschwappen von Kreativität.
Würde das in Australien so weiter gehen?
Ich habe mir einen Campervan gemietet und bereise Tasmanien. Ich genieße die Ruhe, die ich in dieser reichen Natur empfinde. Vormittags eine Wanderung und am Nachmittag arbeite ich an meinem zweiten Buch. Den ganzen Input aus Indonesien verarbeite ich gerade und Worte fließen wie ein Wasserstrom aus meinen Fingern.
Ich habe den richtigen Rhythmus für mich gefunden, um die Welt zu sehen und zu schreiben. Deswegen habe ich diese Reise begonnen.
Und mit vollem Stolz sitze ich vor meinem fertigen Werk, dem Indien-Roman. Nur noch wenige Handgriffe und ich kann ihn im Spätfrühling veröffentlichen. Und das trotz einer Reise um die Welt.
* Was ist ein Coworking Space?
Coworking Spaces gibt es in de ganzen Welt. Es handelt sich um große Büros, mit Internet, Schreibtischen, einem Drucker, Besprechungsräume, etc., die man sich mit anderen teilt. Leute, die in einem Coworking Spaces arbeiten, werden digitale Nomaden genannt, weil sie von überall auf der Welt arbeiten können und nur einen Rechner mit Internet brauchen. Der Vorteil von den geteilten Büros ist die gute Infrastruktur. Denn, zum Beispiel in einem Land wie Indonesien, ist das Internet oft schlecht und in dem Büro wird ein stabiles Netz garantiert. Auch tauschen sich die digitalen Nomaden in Workshops aus, wodurch neue Netzwerke und neue Sichtweisen auf ihre Arbeit entstehen.