Alte Freunde, neuer Weg
Heute gibt es eine weitere Nebengeschichte zu Solta. „Alte Freunde, neuer Weg“ handelt von Pam, eine Tierärztin, die gerade fertig ist mit ihrem Studium.
Freut euch auf Herbst, wenn die Geschichtensammlung der Schreiber und Sammler herauskommt.
Alte Freunde, neuer Weg
„Sie kommen wieder“, hörte ich meinen Vater sagen. Erst wollte ich fragen, wen er meinte, doch dann merkte ich, dass er nicht mit mir sprach, sondern am Telefon war. Da wurde mir klar, wen er meinte: die Gruppe von Wertieren. Sie waren der Grund, warum ich angefangen hatte Tiermedizin zu studieren, so wie meine Mutter auch.
Aidan, der große Anführer der Gruppe, hatte ihr das Leben gerettet. Immer wenn sie von ihm sprach, hatte sie einen verträumten Blick. Mein Vater hatte sie eine Zeitlang damit aufgezogen, dass sie verliebt aussah. Was sie mit einem ‚du spinnst doch‘ quittierte. Ich wiederum musste gestehen, dass ich vor dem Mann mit dem weißen Haar Angst hatte. Er war älter als meine Mutter. Selbst mein Opa hatte ihn gekannte schon, und doch sah Aidan gerade mal aus wie Mitte dreißig.
„War das Thomas?“, frage ich meinen Vater, als er zu mir ins Wohnzimmer kam. Thomas war mein Freund und arbeitete mit meinem Vater an der Grenze zu Mexiko. Seit Generationen halfen wir dieser Gruppe, über die Trennungslinie zu kommen. Vor Aidan war sein Vater der Anführer dieser Gruppe gewesen, das hatte mir meine Uroma erzählt. Sie blieben nie länger als ein paar Monate an einem Ort und hatten schon die ganze Welt gesehen. Manchmal wünschte ich, ich könnte mit.
„Ja.“ Mein Vater setzte sich mir gegenüber und sah mich ernst an. „Pam.“
„Was gibt es?“
„Sie haben ein Mädchen bei sich, das solltest du dir mal ansehen.“
„Du hast doch immer gesagt, ich solle nicht mit ihnen groß reden.“ Mein Vater waren die Wertiere suspekt. Es war nicht so, dass er sie hasste, doch er war allem, was nicht Normal war, misstrauischer. Aus Respekt zu meiner Mutter, hielt er auch sich nach ihrem Tod weiter an die Vereinbarung, die meine Mutters Vorfahren mit ihnen eingingen. Darum haben wir Thomas eingeweiht, dass er die nächste Generation an dieser Grenze ist, der sie passieren lässt. Er ist genauso fasziniert von ihnen, wie ich.
„Als wenn du je darauf gehört hättest.“
Ich versuchte, mir mein Schmunzeln zu verkneifen. Natürlich hatte Vater mich nicht aufhalten können, zu sehr war ich schon als Kind neugierig auf sie gewesen. Mit einigen war ich inzwischen befreundet und ich freute mich, sie wiederzusehen. Lily zum Beispiel war ein Tigerweibchen. Sie war so temperamentvoll, treu, und man hat mit ihr immer sehr viel Spaß. Oder Chris, der charismatische Wolf. Oder Lorcan, der sogut wie immer gut gelaunte Panther. Ich fühlte mich bei ihnen wohl und war immer sehr traurig, wenn sie weiter zogen.
„Was hat das Mädchen denn?“, fragte ich.
„Sie wurde gefangen und verprügelt. Und vermutlich haben diese … Aidan nannte sie die Wilden … ihr auch etwas gespritzt. Die Wunden heilen kaum. Sie haben es mit Wolfswurz versucht, wie deine Mutter ihnen mal geraten hatte, aber es hilft nichts.“
Wolfwurz stärkte Werkatzen, ließ ihre Heilung besser voranschreiten. Wenn die nicht half, mussten chemische Mittel her. Natürlich wäre es von Vorteil gewesen, wenn ich gewusst hätte, was dem Mädchen gespritzt worden war. Und was sie war. Katze konnte vieles heißen.
„Okay, wann kommen sie denn an?“
„Wie ich Aidan kenne, heute noch.“
Ich erhob mich. „Dann werde ich mal meinen Koffer aus der Praxis holen.“ Ich konnte es kaum erwarten, meine Freunde wieder zu sehen.
Als ich das Zimmer betrat, sah ich ein verschüchtertes junges Mädchen. Kein Wunder, dass Lorcan so sichtlich nervös war. Aber für jemanden, der diese Untersuchungen nicht kannte, machte die Kleine sehr gut mit.
Aiden und Lorcan standen im Flur in der Nähe der Tür von der Patientin.
„Und?“, fragte der junge Mann. Aiden zuckte nur mit den Mundwinkeln.
„Ich kann es noch nicht genau sagen, ihre Rippen sind auch noch nicht verheilt. Ich habe ihr Blut abgenommen und werde es untersuchen. Mehr kann ich gerade leider nicht machen.“
„Kann ich zu ihr?“
„Du hilfst weiter, die Sachen zu schleppen“, befahl Aiden dem Panther. Dieser blickte zur Tür, hinter der sich seine Freundin befand, nickte dann und ging.
„Was denkst du, wird sie wieder?“, fragte Aidan mich.
„Ich weiß es wirklich nicht.“ Das Mädchen schien ihm wichtig zu sein, warum wusste ich nicht. „Ich habe ihr gesagt, ich melde mich bei dir, darum werde ich jetzt zur Praxis fahren und das Blut untersuchen.“
„Danke.“
„Immer gern.“ Ich ging die Treppen hinunter. Die Männer schleppten Sofas und Tische nach oben. Ich hatte mir als Kind immer vorgestellt, das sie wie Tiere lebten, also auf dem Boden schliefen, und war regelrecht enttäuscht gewesen, dass ich mich getäuscht hatte und sie wie Menschen lebten.
Blut eines Werwesens zu untersuchen, war immer faszinierend. Es reagierte unterschiedlich, mal menschlich und manchmal eher tierisch. Meine Mutter hatte die Wertiere schon studiert und einiges aufgeschrieben. Dies war mein Glück, so fand ich schnell heraus, was dem Mädchen fehlte. Meine Finger glitten über den Stoff des Buches meiner Mutter. Sie hatte mir mal erzählt, dass sie ihretwegen angefangen hatte Tiermedizin zu studieren und mit ihnen gehen wollte um mehr herauszufinden. Doch dann traf sie meinen Vater und verliebte sich in ihn. Jedes Mal, wenn ich ihr Buch in die Hand nehme, spüre ich die Sehnsucht, es weiterzuführen. Und da war mir ein ganz klar geworden, ich wollte das, was meine Mutter angefangen hat, endlich weiterführen. Deswegen beschlossen ich, dass mein Weg mit ihnen ist. Blieb nur zu hoffen, dass Aidan und Thomas da mitspielten.
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