Evelins Flucht

Evelins Flucht

12. April 2020 0 Von Luna Day

Evelins Flucht, ist eine weitere Nebengeschichte von Solta,  ihr dürft sie heute lesen.
Es geht um Evelin, eine verwandte von Solta, die bei Aidan lebt, aber wie kam sie in das Rudel.

 

Ich konnte es nicht mehr, ständig diese Gewalt, an meiner Seele und meinem Körper. Zu oft wurde ich bestraft, weil ich anders war. Zu oft wurde sich an mir vergangen. Ich konnte und wollte das nicht mehr. Trotzdem traute ich mich aber auch nicht weiter als bis zur Grenze des Territoriums meiner Familie, dort setzte ich mich an einen Baum und weinte. Sterben will ich, dieser Gedanke, war so tief in mir verankert, dass ich kein Licht am Himmel mehr sah.
„Wein doch nicht“, hörte ich jemanden direkt neben mir sagen.
Durch mein Wimmern hatte ich ihn nicht kommen hören, meine Nase war zu, sodass ich den fremden Duft nicht gerochen hatte. Ich wusste, dass andere Wertiere wieder in der Gegend kampierten, gesehen hatte ich bis dahin noch keine. Bis jetzt. Ich konnte nicht anders, als in seine braunen Katzenaugen zu starren. Nur leicht war die mandelförmige Pupille in der menschlichen Gestalt zu erkennen. Helles Haar, leicht wellig, umrundete sein blasses Gesicht. Noch nie hatte ich jemanden gesehen, der so stark und gleichzeitig so schwach wirkte. „Was machst du hier?“, fragte ich leise.
Er lächelte mich an. „Ich war auf Beutezug und habe dich gehört.“ Immer wieder wanderte sein Blick über mich. „Du bist verletzt.“ Langsam nickte ich. Zu leugnen wäre nicht mal möglich gewesen, das Blut war noch nicht getrocknet.
„Du solltest gehen“, flüsterte ich.
Sein Blick huscht in die Richtung, wo unsere Farm lag und dann wieder zu mir. „Was wird mit dir?“
Ich kannte es nicht, dass jemand sich um mich Sorgen machte, es rührte mich so tief in meinem Herzen. „Ich werde es überleben.“
Er wandte sich ab, machte ein paar Schritte. „Nein, du kommst mit“, sagte er und kam wieder zu mir.
„Ich kann nicht.“
Mit einem Griff hatte er auf mich auf die Beine gezogen. „Warum?“
Ich sehe zur Farm zurück. „Sie sind meine Familie.“
Er hebt meinen Arm an. „Die dir das angetan hat.“ So sanft strich er über meinen Bluterguss. „Sieh dich an, so zierlich und verletzt. Komm mit mir“, bat er mich.
„Ich … Warum, du kennst mich doch gar nicht.“
„Muss man denn jemanden unbedingt lange kennen, um ihm zu helfen?“
„Was willst du gegen sie den ausrichten, du bist allein, sie an die siebzig.“
„Nur weil ich gerade allein bin, heißt es nicht, dass ich es auch sonst bin.“ Verwundert sah ich ihn an. „Wir haben eine Wohnung in der Stadt, komm mit, bitte.“
Ich schloss meine Augen. Vielleicht hatte er recht und ich sollte gehen. Es wäre das Beste für mich meine Familie hier zu verlassen und doch haderte ich mit mir selber. Ich hatte Angst vor dem, was kommen konnte. Mein Leben war hier, sie waren meine Familie und doch wollte ich nicht dies doch nicht mehr. Ich wandte mich an ihn. Sah so meine Zukunft aus? Gab es wirklich etwas wie Frieden für mich? Sollte und wollte ich diese Chance vergehen lassen? Nein, ich hatte etwas Besseres verdient. „Okay.“
Sein Lächeln war ehrlich und aufmunternd. Er hielt mir seine Hand hin. „Aidan.“
„Evelin“, antwortete ich und schüttelte sie kurz. Aus seiner Hand wurden Pranken mit weißem Fell. Sein weißes Haar verlängerte sich, aus seinem menschlichen Gesicht wurde das eines Löwen. Seine feuchte Nase stupste mich an. Ich nickte und schloss meine Augen. Schmerzen durchzuckten meine Glieder, meine Atmung war stockend und das Gefühl, das ich gleich sterben würde, stark.
„Atme ruhig, akzeptiere das Tier sowie den Menschen.“
Sicher, ich wusste, wie es ging, doch unsereins blieb, wie man war, und unter sich. Nur die Tierform war erwünscht. Zu Gesprächen und Einkauf durften wir uns in menschenähnliche Gestalt verwandeln. Das war alles. Ich hatte keine Ahnung, wie lang ich nun da lag, bis ich wieder eine Katze war, doch er blieb die ganze Zeit und wartete. Er stupste mich wieder an, dass ich ihm folgen sollte, und das tat ich dann auch. Ein Puma und ein weißer Löwe liefen nun durch Wälder zum Stadtrand von Mexiko-City. Selbst die Menschen hier hatte sich schon ihren Häusern und Wohnungen zurückgezogen. Trotzdem führte er mich durch dunkle Gassen, bis wir über Mauern und Häuserdächern immer höher kamen. Der Sternenhimmel über uns war erschreckend leerer als über unserer Farm. Dafür war das bunte Lichtermeer der Stadtmitte hell erleuchtet. Irgendwann kamen wir an einen Balkon, er öffnete die Tür mit der Pfote und drängte mich hinein. Beim Blick über die Schulter war er wieder ein Mensch.
„Komm“, sagte er und ging eine Treppe hinauf.

Zwei Tage war ich bei Aidan, er pflegte meine Wunden und stellte mir die Sippe vor. Ich war mehr als erstaunt, was es alles an Wertieren gab. Unter anderem Wölfe, Adler und Bären. Sie alle standen mir zur Seite, als meine Familie kam, über Nacht. Gerade so konnten ein paar mit mir fliehen. Ich wollte nicht, dass jemand meinetwegen verletzt wurde, aber Aidan hielt mich zurück, zu meiner Sippe zurückzugehen. „Wir gehören zusammen und ich werde, wenn es sein muss jeden von ihnen töten“, waren seine Worte. Ich konnte nur hoffen, dass dies nie der Fall sein würde.

Wenn nicht, weiß ich, dass ich mich ihnen irgendwann einmal stellen muss und dann werde ich kein Erbarmen haben.