5 Schreibtipps für eine runde Szene

5 Schreibtipps für eine runde Szene

14. März 2021 0 Von Valentina Baumgartner

Bevor ich eine Geschichte veröffentliche, überarbeite ich sie meistens mehrere Male. Ich möchte euch heute am Beispiel eines kurzen Texts, den ich neulich geschrieben habe, fünf Schreibtipps für eine runde Szene geben.

Zuerst könnt ihr euch die überarbeitete, finale Version der Szene durchlesen.

Im Anschluss zeige ich euch Ausschnitte aus der Überarbeitung der ersten Version mit meinen 5 Schreibtipps für eine runde Szene.

Finale Version

Die Gigantin aus dem See

Die Oberfläche des Sees kräuselte sich nur für einen Moment. Dann lag sie wieder still da, als wäre nichts gewesen. Als wäre das Reh, das gerade aus dem trüben Wasser getrunken hatte, nie da gewesen.

Get schloss die Augen und seufzte. Er hatte gehofft, sie nicht zu finden. Die Gigantin aus dem See. Er hatte gehofft, sie war nur ein Hirngespinst der örtlichen Bevölkerung, ein Schauermärchen.

Langsam richtete er sich auf. Schlamm klebte an seiner Lederrüstung. Er roch nach Brackwasser. So wie der ganze Wald hier am Tümpel. Er nahm sein Schwert aus seinem Schaft. Entzündete es mit einer kurzen Handbewegung.

Das beste Mittel gegen Wasserwesen waren Flammen.

Über knorrige alte Wurzeln kletterte Get zum Ufer des Sees. Er blickte sich um, griff nach einem Stein vor seinen Schuhspitzen und warf ihn ins Wasser. Das Platschen war kaum zu hören, denn der dichte Wald schluckte es.

Die kreisförmigen Wellen, wo der Stein auf die Wasseroberfläche getroffen war, verebbten. Aber sie zeigte sich nicht. Get seufzte und trat einen Schritt hervor. Er tippte mit seinen Lederstiefel in das Wasser. Kaum merklich. Nicht einmal Wellen bildeten sich um seine Sohle herum. Aber es war genug.

Etwas packte seinen Schuh, riss ihn beinahe mit sich. Get fasste sein Schwert fester und rammte es mit aller Kraft in das Wasser neben seinem Stiefel. Der Griff um seinen Fuß lockerte sich und er zog ihn zurück. In der Mitte des Sees begann ein Brodeln. Wellen schlugen bis zu seinen Knöcheln.

Das Gesicht der Gigantin war wie das einer Wasserleiche. Ihre Augen schwarz und kalt. Ihren Mund hatte sie zu einem lautlosen Schrei geöffnet. Get schlug der Geruch von abgestandenen Wasser und totem Fisch entgegen.

Er hob sein Schwert, ging leicht in die Knie, um einen besseren Stand am schlammigen Ufer zu haben. „Na dann, mal los“, murmelte er.

Überarbeitung und 5 Schreibtipps für eine runde Szene

[Titel]

Die Oberfläche des Sees kräuselte sich nur für einen kurzen Moment. Dann lag sie wieder still da, als wäre nichts gewesen. Als wäre das Reh, das gerade aus dem trüben Wasser getrunken hatte, nie da gewesen.

[…] seufzte und schloss die Augen.

Schreibtipp 1 – Mut zur Lücke

Beim Schreiben der ersten Version hilft es, alles auslassen, was weitere Recherche- oder Nachdenkarbeit verursacht. So kann man sich erst einmal darauf konzentrieren, die Szene schnell auf Papier zu bringen.

Ich lasse häufig Titel der Geschichte und Namen der Personen aus. Auch um Details, die weitere Recherche benötigen (beispielsweise historische Umstände), kümmere ich mich oft erst später. Ich markiere die Lücken gerne mit eckigen Klammern. Diese kann ich dann mit der Suchfunktion von Word ganz einfach wieder finden.

Er hatte gehofft, sie nicht zu finden. Die Gigantin aus dem See. Er hatte gehofft, sie war nur ein Hirngespinst der örtlichen Bevölkerung. Ein Schauermärchen. Gehofft, dass er sie in Ruhe leben lassen konnte.

Schreibtipp 2 – Wiederholungen finden

Beim ersten Schreiben einer Szene kommt es häufig vor, dass man den gleichen Gedanken mehrmals wiederholt. Nur etwas anders formuliert. Denn man muss selbst auch erst einmal herausfinden, wie man am besten einen bestimmten Sachverhalt beschreibt.

Beim Korrekturlesen halte ich Ausschau nach diesen Wiederholungen. Meistens stören sie den Lesefluss etwas. Manchmal sind es Stellen, in denen man beim Schreiben zu offensichtlich versucht hat, etwas zu erzählen, anstatt es einfach zu zeigen und den Leser selbst die Schlussfolgerung ziehen zu lassen.

Langsam richtete er sich auf. Etwas nasser Schlamm klebte an seiner Lederrüstung.* Er nahm sein Schwert aus seinem Schaft.

*Ergänze: Er roch nach Brackwasser. So wie der ganze Wald hier am Tümpel.

Schreibtipp 3 – Alle Sinne ansprechen, nicht nur den Sehsinn

Alle Sinne anzusprechen, ist ein wundervolles Mittel, um einen Leser mehr in eine Szene zu ziehen. Häufig konzentriert man sich beim Schreiben nur auf den Sehsinn – was sieht der Protagonist gerade und wo. Geruch, Geschmack, Geräusche und Tastsinn sind aber ebenfalls nicht zu unterschätzen. Daher suche ich beim Überarbeiten Stellen an denen ich die Geschichte mit weiteren Sinneseindrücken anreichern kann.

Er blickte sich um, griff nach einem Stein und warf ihn ins Wasser. Das Platschen war kaum zu hören, der dichte Wald hier schluckte es. Um sich herum konnte er mehr als ein Augenpaar auf seinem Rücken spüren. Dieser Wald lebte. Und die Gigantin aus dem See war nicht das einzige Wesen, das die Menschen hier fürchten mussten.

Schreibtipp 4 – Auf die Perspektie achten

Eine Szene ist stärker, wenn sie aus der Perspektive nur einer Person erzählt wird. Denn dann hat der Leser einen festen Anker, an dem er sich orientieren kann. Er nimmt die Umgebung der Geschichte sozusagen aus dem Blickwinkel dieser einen Person wahr.

Springt die Szene von der Wahrnehmung einer Figur in die einer anderen?

Oder gibt es Dinge, die die Perspektiv-Figur gar nicht wahrnehmen könnte? Zum Beispiel Dinge, die hinter ihren Rücken passieren.

Manchmal kann man diese Absätze ganz einfach streichen. Oder man erwähnt die Details später, wenn die Perspektiv-Figur sie wahrnehmen kann. Eine dritte Möglichkeit sind Andeutungen: Beispielsweise durch ein leises Geräusch hinter der Figur, oder ein Stirnrunzeln einer anderen Person.

Etwas hatten seinen Schuh gepackt. Es sah aus, als hätte er sich in einem Strauch Algen verfangen. Sie zog an ihm.

Das Gesicht der Gigantin war weiß wie das einer Wasserleiche.

Schreibtipp 5 – Metaphern passend zur Stimmung der Szene

Metaphern sind „wie“-Vergleiche. Sie können ein effektives Mittel sein, Dinge anschaulich zu beschreiben. Aber manche Metaphern passen besser in eine Szene als andere.

In diesem Beispiel hat mir die Metapher „Ihr Gesicht sah aus wie das einer Wasserleiche.“ gut gefallen. Es ist ein Seeungeheuer, das ich dort beschreibe. Die Situation ist gruselig und unheimlich. Genau wie eine Wasserleiche. Die Farbe habe ich noch weggestrichen, das war eine überflüssige Information.

Die Metapher „Es sah aus, als hätte er sich in einem Strauch Algen verfangen.“ gefiel mir überhaupt nicht.

Zum einen bin ich mir nicht sicher, ob der Ausdruck „Strauch Algen“ überhaupt existiert. Er klingt zumindest recht unelegant. Zum anderen fand ich es beim zweiten Mal Lesen nicht passend hier so genau zu beschreiben was passiert.

Ich finde die Szene ist runder, wenn ich das Aussehen der Gigantin noch nicht beschreibe, sondern erst, wenn sie aus dem Wasser aufgetaucht ist.

Fazit: Eine Szene ist nie perfekt beim ersten Mal Schreiben. Es hilft zu wissen, nach was man bei seinen Korrekturen Ausschau halten kann, um seinen Text zu verbessern.

Hier noch zwei weitere Tipps zur Überarbeitung eurer Szenen:

Übt, viel zu Schreiben. Lest euch nach ein paar Tagen das Geschriebene noch einmal durch. Gibt es Stellen, über die ihr beim Lesen stolpert? Weshalbt ist das so? Wie könnt ihr diese verbessern? Probiert verschiedene Dinge aus.

Lasst andere über euer Geschriebenes lesen. Fragt sie, welche Stellen ihnen besonders gut gefallen haben. Und welche Stellen sie beim Lesen kurz stocken haben lassen. Macht euch Gedanken, warum das so war. Und ob ihr eure Szene noch verbessern könnt oder wollt.

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