Kein Entkommen

Kein Entkommen

24. März 2019 0 Von Luna Day

Eine kleine Kurzgeschichte über Vampire <3

 

Kein Entkommen

Blutsterne fallen vom Himmel. Sie sind anders als die Sternschnuppen, die die Menschen kennen, und sie sagen voraus, dass in naher Zukunft etwas in der Vampirwelt passieren wird.
Mein Clanführer Apis und ich stehen auf der Terrasse des alten Bauernhauses, in dem wir uns eingenistet haben. Mein Blick geht zu ihm, irgendwie erwarte ich, dass er etwas sagt. Aber wie immer steht er da und schweigt. Die Jahrtausende haben dem Jungen aus Ägypten nichts anhaben können. Nur wer ihn kennt, weiß, was für eine Macht er in sich trägt. Er wirkt schmächtig. Doch seine Kraft und Blutrünstigkeit zu unterschätzen, ist ein Fehler.

Er lässt seinen Nacken knacken. „Jo, sag den anderen Bescheid, wir werden uns in die Berge verziehen.“
Ich will nicht, aber meine vorlaute Klappe bringt mich dazu, ihm einen Ratschlag zu erteilen. „Sie werden alle dorthin rennen, wäre es dann nicht sinnvoller, hierzubleiben?“
Langsam wendet er sich mir zu. Ich mache einen Schritt zurück, wegrennen bringt eh nichts. „Geh.“
Seufzend drehe ich mich um und gehe ins Haus. „Er will in die Berge.“ Ohne auch nur den geringsten Zweifel an Apis Befehl stehen die anderen auf und ziehen sich an. Ich verstehe es immer noch nicht. Selbst nach Jahrhunderten bleibt es mir ein Rätsel, dass an die hundert Vampire sofort springen. Klar kommen wir alle aus verschiedenen Kulturen, Menschenaltern und Epochen, aber haben sie deswegen ihre eigene Meinung abgelegt?

„Jo?“ Ich sehe zu der Jüngsten von uns. Sie ist nach unserem Anführer die Gefährlichste, weil sie ein Kind ist und noch nicht lange zu uns gehört. Ein süßer kleiner blonder Lockenkopf mit Reißzähnen. „Was hast du?“

„Nichts, Emma!“ Wir verlassen das Haus. Sehnsüchtig sehe ich zurück. Das alte Bauernhaus, das schon vor Jahren seine beste Zeit gesehen hat, war für mich eins der schönsten Gebäude, in denen wir gelebt haben.
„Beeilt euch“, drängt Apis uns. Irgendetwas stimmt mit unserem Clanführer nicht. Es ist ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann, das mich aber noch nie getäuscht hat. War es eine gewollte Aufführung der Blutsterne? „Jo, nicht träumen“, knurrt Apis jetzt. Ich erhöhe das Tempo. Wälder, Dörfer, Städte und Felder ziehen an uns vorbei, immer näher kommen wir den Bergen.

Apis bleibt abrupt stehen und streckt seine Arme aus, ein Ruck geht durch die Gruppe und der Kies unter unseren Füßen fliegt vom Bremsen durch die Luft. Wir stehen auf einem Schotterweg, der einen Wald und eine Weide trennt. Vor uns drei weitere Vampire. Ihr Blick streift über uns und bleibt an mir und Emma hängen. Unser Anführer fletscht die Zähne. Wolfsgeheul dringt zwischen der Dunkelheit der Bäume zu uns. Jetzt ist jedem klar, wen wir vor uns haben: Jäger des Rates und ihre Wölfe warten auf uns in den Schatten des Waldes, wie zu groß geratene Bluthunde. Und ich weiß auch, was sie wollen: Emma und das nicht lebendig. „Apis …“, kommt traurig von der Kleinen.
„Dir wird nichts passieren!“ Über die Schulter sieht er zu mir und ich nicke.

Langsam kommen die Jäger auf uns zu. Der Mittlere bleibt nun wenige Meter vor unserem Anführer stehen. „Das Kind und die Schuldige“, sagt er nur.
„Josephine hat diese Tat nicht begannen. Andere haben das Kind fast tot gesaugt und liegen lassen, sie hat die Kleine nur zu uns gebracht.“ Die beiden anderen behalten mich im Blick und ich weiß, dass sie ihm nicht glauben, zu sehr riecht sie nach mir. Kein Wunder, sie trinkt regelmäßig von mir, damit sie nicht auf die Menschen losgeht. Das Geräusch von Knackenden ästen kommt immer näher. „Jo!“, befielt Apis.

Schnell greife ich nach der Hand der Kleinen und laufe los.

Weit kommen wir nicht, die Jäger landen vor uns und kesseln uns ein.
„So dumm“, gibt einer von ihnen von sich.
„Das bezweifle ich“, erwidere ich nun trotzig und ziehe Emma hinter mich.
„Ach wirklich, denkt ihr, so entkommt ihr uns?“
„Nein, aber so.“ Ich schließe die Augen, drehe mich zu Emma und drücke sie fest an mich. Die Macht von Apis umschließt uns und bringt die Kleine und mich auf magische Weise zur Gruppe zurück.

Rasch laufen wir jetzt auf die Wölfe zu. „Emma, du darfst frisches Blut trinken“, fordere ich die kleine Vampirin auf. Breit grinsend stürzt sie sich auf den ersten Wolf, der unseren Weg kreuzt. Hinter mir ist die Gruppe, die sich zwischen uns und den Jägern stellt. Stehenbleiben darf ich nicht und doch tue ich es. Ich erblicke den schmächtigen Jungen, unser Anführer, wie er sich auf einen Jäger stürzt, alleine. Ich bin hin- und hergerissen, was soll ich tun? Apis Befehl missachten und ihm helfen oder doch tun, was er mir mal aufgetragen hat und Emma in Sicherheit bringen. Doch ohne ihn sind wir nie sicher.

Bevor ich eine Entscheidung treffen kann, wirft mich ein Wolf zu Boden. Ich winde mich unter ihm und sehe in sein Maul, das mit spitzen Zähnen flankiert ist. Sein Speichel läuft ihn schon seinen Lefzen entlang und irgendwie ahne ich, dass es jetzt keine Rolle mehr spielt, ob ich Apis helfen kann oder Emma in Sicherheit ist, ich werde diese Nacht nicht überleben. Dieses Tier, mit Vampirblut aufgezogen, ist eine Tötungsmaschine und seine Beute bin ich.

 

Ich hoffe es hat euch gefallen,

Eure Luna