Pseudonyme und eine gelöschte Szene
Pseudonym ja oder nein? Diese Frage stellt sich vermutlich jeder Autor früher oder später. Bei mir war es letztes Wochenende soweit – aus Christine Schirm wurde Christine M. Brella.
Eigentlich war meine Meinung dazu relativ klar: Für was ein Pseudonym, wenn man auch einen echten Namen hat? Letztlich ist jeder Name so gut wie jeder andere. Wahrscheinlich ist der Autor der einzige, der den Klang seines eigenen Namens irgendwie komisch findet. Christine Schirm. Rainer Maria Schröder. Christine Nöstlinger. Liselotte Welskopf-Henrich. Macht einfach mal den Versuch und sprecht die Namen fünfmal hintereinander aus. Am besten langsam. Silbe für Silbe.
Und? Klingen sie schon irgendwie seltsam? chrIs-tIne schIrm. Also in meinen Ohren schon 😀 Trotzdem sind die genannten Autoren erfolgreich. Und niemanden stört es, dass der Name sich irgendwie komisch anhört, wenn man ihn fünfmal hintereinander auf der Zunge hin und her wälzt. Christine Nöstlinger. Ein Name bei dem man weiß, was man bekommt. Eine Marke. Hätte es was geändert, wenn Frau Nöstlinger von Anfang an ein Pseudonym verwendet hätte? Bestimmt nicht.
Gerade bei mir als Anfänger-Autor liegt es nahe, den eigenen Namen zu verwenden. Wenn irgendjemand meine Bücher kauft, dann doch deshalb, weil er mich kennt. Darüber hinaus weiß ja erst einmal niemand von meinem Buch. Wenn ich jetzt unter einem Pseudonym schreibe, vertue ich diesen einzigen, wenn auch recht kleinen, Startbooster. Aber wenn noch nicht einmal die eigenen Freunde mein Buch lesen – wie soll ich da jemals so bekannt werden, dass andere Leser mein Buch finden?
Natürlich gibt es auch gute Gründe, warum man nicht unter seinem eigenen Namen schreiben möchte. Schreibt man über brisante Themen, wie zum Beispiel Politik oder Erotik, ist es verständlich, dass man nicht unbedingt will, dass die Arbeitskollegen eine Verbindung ziehen. Leider macht es die Vermarktung nicht gerade leichter, wenn man seinen Bekannten nicht von seinem eigenen Buch erzählen will/kann und man seinen Namen strikt trennen will/muss vom Buch. Wie gesagt: Manchmal hat man einfach keine Wahl!
„Nicht einfach“ ist überhaupt ein gutes Stichwort beim Verwenden von Pseudonymen – spätestens wenn Fiktion und Realität aufeinander treffen, zum Beispiel bei einer Lesung. Wie stellt man sich dem Publikum vor? Auf welche Anrede reagiert man? Besonders wenn Bekannte anwesend sind (und auch hier gilt: wenn nicht Freunde Interesse an einer Lesung haben, warum dann fremde Menschen?) kann es da schon mal zu Verwirrungen kommen. Oder muss man dann alle seine Bekannten darauf impfen, nur das Pseudonym zu verwenden? Auch irgendwie schräg.
Letztendlich muss jeder die Entscheidung selbst treffen. Doch was ich nicht verstehe, und wahrscheinlich nie verstehen werde: Warum gibt es Autoren, die gleich unter mehreren Pseudonymen veröffentlichen?
Ashley Carrington und Raymond M. Sheridan sind Autoren, die ich im Buchgeschäft nicht zweimal anschauen würde. Wenn ich jetzt allerdings wüsste, dass es sich bei beiden um Pseudonyme für Rainer Maria Schröder handelt, den ich als Jungendautor sehr schätze, sieht die Welt ganz anders aus. Dann würde ich gezielt nach diesen Büchern suchen. Gut, die Krimis (unter Sheridan), würde ich trotzdem nicht lesen, aber ich würde es zumindest in Erwägung ziehen, weil ich den Autor mag. Aber die Romane unter Ashley Carrington klingen tatsächlich interessant, jetzt da ich den Zusammenhang gerade gefunden habe. Da muss ich später glatt mal stöbern 🙂 Die Frage, die ich mir in so einem Fall stelle ist: Es ist so schwer sich einen Namen als Autor zu machen! Warum sollte man diesen Weg zweimal gehen wollen?
Nein – das Argument, dass der Leser mit dem Autor ein bestimmtes Genre verbindet, lasse ich nicht gelten! So schlau sollte ein Leser schon sein, dass er am Titel, Titelbild und Klappentext unterscheiden kann, ob er ein Jugendbuch, einen Krimi oder einen historischen Gesellschaftsroman vor sich liegen hat. Gut ich gebe zu, wenn man Kinderbücher und Erotik schreibt, wird es etwas heikel 😉 Das wäre vielleicht dann eine der wenigen Ausnahmen.
Nach der langen Argumentation fragt ihr euch bestimmt, warum ich mich jetzt trotzdem für ein Pseudonym entschieden habe 🙂 Nein, es liegt nicht daran, dass ich mich von meinen Büchern distanzieren möchte. Außerdem mag ich meinen Namen – Christine Schirm – bzw. ,lang mit zweitem Vornamen: Christine Maria Schirm. ABER: Schirm ist jetzt nicht unbedingt der Name, der eine große Expertise im Bereich „Wilder Westen“ suggeriert. Und das ist nun mal das Setting in dem ich Abenteuerromane veröffentlichen möchte. Zumindest vorerst. Wer weiß, was die Zukunft noch bringt? Vielleicht Heimat-Scifi? 😀
Am Ende habe ich mich für eine Abwandlung meines Namens entschieden. Einer der etwas weniger deutsch wirkt als „Schirm“. Aber dann doch nicht arg weit weg ist vom Original. Gleichzeitig nicht so plump wirkt wie „Umbrella“. So ist es entstanden, mein Pseudonym. Christine M. Brella. Bei meinen Testlesern für meinen ersten Abenteuerroman, der im amerikanischen Bürgerkrieg spielt, habe ich den neuen Namen das erste Mal ausprobiert. Und als meine Schirm-Oma am Telefon gelacht hat, hab ich gewusst – das ist das richtige Pseudonym für mich! 😀
In diesem Sinne noch ein Textschnipsel für euch, der es nicht ins Buch geschafft hat. Auch Nick flunkert ein bisschen in Bezug auf Namen und Identität:
Am Feuer
„Ihr wollt meine Geschichte hören? Hier ist sie: Ich bin auf einer riesigen Ranch in Texas daheim. Mein Vater ist als junger Bursche auf einem Auswandererschiff aus England gekommen und hat dann erst mal ne Zeit lang in Boston als Schuhputzer gearbeitet, bevor er beschlossen hat unter die Goldsucher zu gehen. Gold hat er im Westen keins entdeckt, dafür aber seine Vorliebe für Pferde und Kühe.
Mein Vater war gerade in einer von diesen Städten zu denen das Vieh aus dem Süden getrieben wird, um dann mit der Eisenbahn weitertransportiert zu werden und hat da nach einem Job gesucht. Er muss dann einmal zufällig dabei gewesen sein, als ein paar Strauchdiebe versucht haben, eine Handvoll Rinder von der Herde wegzutreiben. Er hat nicht lange nachgedacht und einen Lärm veranstaltet, dass man ihn wahrscheinlich in China noch gehört hat. Hat sein Kochgeschirr gegeneinander geschlagen, gebrüllt und seinen Revolver abgefeuert und so. Die sind weg, als wär der Teufel hinter ihnen her und er hat einfach dagestanden und ist vor Lachen fast gestorben.
Später stellte sich heraus, dass die Herde aus Texas stammte und der Besitzer sie persönlich begleitete. Der Mann muss wohl einen Narren an meinem alten Herrn gefressen haben, denn sobald er hörte, dass er auf Arbeitssuche sei, setzte er ihn auf ein Pferd, stellte ihn als Cowboy ein, obwohl er vorher nicht mal eine Kuh von einem Stier unterscheiden konnte und machte ihn bald zum Vorarbeiter.
Anscheinend hat er schnell gelernt. So sind sie 1840 zusammen nach Texas gekommen und kämpften später Seite an Seite gegen die Mexikaner für die Unabhängigkeit. Auf der Ranch wurde mein Vater schnell die rechte Hand des Viehbarons und wurde fast zu einem Familienmitglied. Er war an den Gewinnen beteiligt und aß sogar mit der hohen Familie. Der Rancher war nämlich verheiratet und hatte eine ziemlich hübsche Tochter. Und wie das nun mal so ist, da kam eins zum andern. Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten. Pünktlich neun Monate später wurde mein Bruder James geboren und noch ein bisschen später ich.
Als mein Großvater langsam zu alt für den Sattel wurde, gab er die Ranch an meinen Vater weiter und der vergrößerte sie noch bis auf unseren Weiden zehntausend Rinder weideten. Von unserem Haus aus kann man in alle Richtungen schaun und man sieht nichts außer Gras, manchmal noch ein paar Kühe, und alles gehört uns. Bis zur nächsten Stadt muss man zwei ganze Tage lang reiten….“
Hier musste ich meine Geschichte abbrechen, damit niemand das Zittern in meinen Stimme bemerkte. Schade eigentlich, weil mir das erzählen gerade begonnen hatte Spaß zu machen…