Wechselkurs Eier – Getreide

Wechselkurs Eier – Getreide

12. März 2024 0 Von Daniel Bühler

Was, bei allen Göttern, war nur der Wechselkurs für Eier und Getreide in der römischen Republik? Und wer braucht so etwas?

Im Moment arbeite ich an der Veröffentlichung einer Sammlung von Kurzgeschichten, die in der römischen Republik spielen. Darin wird es auch die Neuauflage einer Geschichte geben, die ich bereits in den Dazwischengeschichten, der Anthologie der Schreiber und Sammler, veröffentlicht habe. Meine Geschichte „Der Ring des Römers“ wird mit einem zusätzlichen Kapitel erscheinen, das aus Gründen der Länge herausgestrichen werden musste – sozusagen der „Directors Cut“.

In der Zeit, in der die Geschichte spielt, Mitte des vierten Jahrhunderts vor unserer Zeit, gab es in Rom noch kein Münzgeld, das kam erst Anfang des dritten Jahrhunderts vor unserer Zeit auf. Ursprünglich war Vieh wohl das wichtigste Zahlungsmittel, dabei entsprach ein Rind dem Gegenwert von zehn Schafen. Das lateinische Wort für Geld bzw. Vermögen, pecunia, kommt von pecus, Vieh.

Im Jahr 362 vor der Zeitwende, in der das zusätzliche Kapitel spielt, waren vermutlich Kupferbrocken bzw. Kupferbarren Zahlungsmittel, von denen man kleinere Stücke abschlug. Zu Beginn des Kapitels, im dem es eigentlich um was ganz anderes geht, wollte ich einen Eindruck von den Lebensumständen dieser Zeit, der frühen Republik, vermitteln. Daher habe ich in wenigen Sätzen beschrieben, wie ein Käufer an einem Lebensmittelstand auf dem Forum mit einem Kupferbarren bezahlt. Der Verkäufer hackt mit einem Beil ein Stück von dem Barren ab, wiegt es und reicht dem Käufer die Ware.

Zudem gehe ich davon aus, dass die Römer zu dieser Zeit auch Lebensmittel getauscht haben. Daher habe ich noch zwei, drei Sätze hinzugefügt, die eine Frau zeigen, die an einem Laden einen Korb Eier gegen eine Schüssel Getreide tauscht. Doch dann habe ich mich gefragt, wie viel Getreide die Frau damals wohl für einen Korb mit wie vielen Eiern erhalten hätte. Also, was war der Wechselkurs für Eier und Getreide?

Nun sind aus dem alten Rom einige Preisangaben auf uns gekommen (so der terminus technicus in der Geschichtswissenschaft). So kostete beispielsweise ein Pfund Steckrüben im ersten Jahrhundert unserer Zeit einen Sesterz. Ein Modius (ein Volumenmaß von etwa 8,7 Liter) gesalzene Oliven in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts vor unserer Zeit kostete fünf Sesterzen. Für dreißig Pfund getrocknete Feigen musste man ein As bezahlen. Ein Sesterz hatte ab Mitte des zweiten Jahrhunderts vor der Zeitwende den Gegenwert von vier As, ein Denar 16 As.

Zur Einordnung: Mitte des ersten Jahrhunderts vor der Zeitwende verdiente ein Tagelöhner 16 As pro Tag. In Pompeji hätte er davon ein As für einen Laib Brot und ein weiteres As für etwa 0,5 Liter günstigen Wein ausgeben müssen. Bei Ausgrabungen in der antiken Stadt haben Archäologen Inschriften mit den entsprechenden Preisangaben gefunden.

Nach einigem Suchen fand ich endlich eine Angabe, die die Zeit meiner Geschichte betrifft: Im Jahre 345 vor unserer Zeit sollen die Römer für ein Modius Weizen ein As bezahlt haben. Und schließlich, nach noch längerem Suchen, eine Preisangabe für Eier. Die war allerdings aus der Spätantike, aus dem Jahr 301 unserer Zeit: vier Eier kosteten vier Denare. Für einen Modius Weizen zahlte man in der Spätantike etwa fünfzig Denare, umgerechnet 800 As. Also das Achthundertfache wie 650 Jahre zuvor, allerdings war es in der Spätantike zu einem Währungsverfall gekommen. Und es muss bei der Umrechnung berücksichtigt werden, dass ein Denar in der frühen Republik nicht sechzehn, sondern zehn As wert war.

Mir schwirrte bald der Kopf von den verschiedenen Währungseinheiten, den Mengenangaben und Jahresdaten. Und wie soll man die Mengen und Preise zu verschiedenen Jahrhunderten überhaupt vergleichen? Wie zuverlässig ist die Quellenangabe für das Jahr 345? Kann ich die spätantiken Verhältnisse für meine Geschichte einfach auf die frühe Republik übertragen?

Dann erhielte die Frau für einen Korb mit fünfzig Eiern einen Modius Weizen (8,7 Liter). Das wäre also der gesuchte Wechselkurs. Und was bedeutet das konkret? Wie viel wiegt das Getreide, könnte die Frau es nach Hause tragen? Eine schnelle Internetrecherche ergibt, dass ein Liter Weizen etwa 0,75 kg wiegt, ein Modius also ungefähr 6,5 Kilo. Um eine grobe Vorstellung vom Volumen zu bekommen, werfe ich sogar einen Blick in mein Bad. Ein gewöhnlicher Haushaltseimer aus Plastik fasst zehn Liter Wasser.

Was also fange ich mit den Angaben an, was bedeutet das für meine Geschichte? Erster Gedanke: Könnte ungefähr hinkommen, ich übernehme die Angaben aus der Spätantike. Zweiter Gedanke: Zu ungenau, zu fehlerbehaftet, lösch die Sätze! Dritter Gedanke: streich die vagen Angaben, wie ein Korb Eier und eine Schale Getreide, und vergiss den Wechselkurs. Schreib stattdessen nur, dass die Frau und der Händler streiten und sich nicht einigen können.

Das ist ziemlich viel Aufwand für einige wenige Sätze, die eigentlich nur etwas Zeitkolorit geben sollen und für die eigentliche Handlung keine Bedeutung haben. Bei anderen Details ist es ähnlich. Wie perfekt muss eine historische Geschichte eigentlich recherchiert sein? Und sind ein guter Plot und sympathische Figuren nicht wichtiger als die hundertprozentige historische Korrektheit?

Diese Fragen führen hier zu weit. Trotz der schwierigen Recherche und der problematischen Quellensituation liebe ich es, Geschichten aus dem alten Rom zu schreiben, aus der Zeit der Republik. Wer mag, kann sie bald lesen und sich selbst ein Bild machen.