Buch und Baby

Buch und Baby

2. April 2023 0 Von Christine M. Brella

Im Januar ist unsere Baby Tochter geschlüpft und hat mit ihrem ersten Atemzug mein Leben und Denken auf den Kopf gestellt. Plötzlich ist alles anders. Ich hatte ja keine Ahnung!

Natürlich hat man gelesen, dass ein Baby rund um die Uhr Betreuung braucht. Du hast von erschöpften Müttern gehört. Von Vätern, die keine Zeit mehr haben für ihre Hobbys. Aber was es wirklich bedeutet, so ein kleines hilfloses Wesen in die große, feindliche Welt zu setzen, begreifst Du erst, wenn der kleine Wuzel in seiner ersten Nacht auf Dir einschläft – und Dich plötzlich die Blase zwickt. Sich erleichtern, oder das Baby schreien lassen? Was für eine Zwickmühle erster Güte!

Kinder großzuziehen ist ein ein elementarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Doch für mich fühlt es sich an, als wäre ich einem Geheimbund beigetreten. Einer Parallelwelt, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte.

Zur Initiation in diese Welt, also der Geburt, gibt man als erstes sein Schamgefühl ab. Von Fruchtwasser und Blut im Kreißsaal spricht alle Welt. Dass Du aber sehr wahrscheinlich vor fremden Menschen auch Darm, Blase und/oder Magen in alle Richtungen entleerst, lernst Du wahrscheinlich erst im Vorbereitungskurs. Dass Dir das aber überhaupt nicht peinlich ist, findest Du bei der Geburt heraus.

Spätestens nach drei Tagen im Krankenhaus ist Dir fast alles egal. Drei Tage fast ohne Schlaf. Drei Nächte, die Du damit verbringst, Dein Kind anzustaunen, Windeln wechseln und darauf zu warten, dass es aufwacht, damit Du einen weiteren schmerzhaften Stillversuch unternehmen kannst. Drei Tage in denen man einhändig das Essen hinunter schlingt, weil am anderen Arm das Baby schläft. (Kleine Notiz am Rande: einhändig Couscous-Salat essen klappt super. Eine Semmel aufschneiden und mit Butter bestreichen nicht.)

Am Ende ist es Dir völlig egal, dass Du ungeduscht und nur mit Nachthemd bekleidet durch die Krankenhausflure schleichst. Wenn das Kleine Hunger hat, entblößt Du zur Not auch Deinen Busen in der Öffentlichkeit. Es zählt nur, dass es dem Baby gut geht. Wenn es dann vor Hunger schreit und strampelt, weil Du nicht genügend Milch produzierst, willst Du nur noch heulen. Oder ist der Schlafmangel schuld? Oder die Hormonumstellung? Jedenfalls ist Dir jetzt klar, warum mal jemand die Entbindungsstation „Zombi-Station“ getauft hat.

Mit diesen Voraussetzungen wirst Du am dritten Tag nach Hause entlassen. Völlig übermüdet, mit Hormonen, die Dich grundlos ins Tal der Tränen schicken und mit einem hilflosen Baby ohne Gebrauchsanleitung. Die ersten Tage sind hart. Stillen, Flasche geben, Flaschen auskochen, wickeln, schlafen und wieder von vorne. Ist die Rötung am Hintern normal? Wie kann man sicher stellen, dass das Baby die Ideale Körpertemperatur von 37 °C behält? Wie machen das bloß Eltern mit Zwillingen? Am Ende von Tag hast Du nichts gemacht, bist aber trotzdem nicht fertig geworden und hattest kaum Zeit zu essen. Spontan mit Freunden treffen? Völlig undenkbar. Mit Kind pünktlich beim Kinderarzt eintreffen? Ein Kraftakt für zwei. Arbeit, Schreibkurs und Sportverein? Adee! Ein Buch lesen? Guter Witz! In Ruhe duschen wird zu einer kostbaren Wellnessauszeit und zwei Stunden einkaufen ohne Kind gleicht einem Kurzurlaub. Die Zeit scheint still zu stehen.

Doch Du meisterst einen Tag nach dem anderen. Jeder Handgriff wird optimiert. Du lernst Hilfe anzunehmen, teilst Dir die Aufgaben mit Deinem Partner und setzt es Dir als Ziel, wenigstens einmal am Tag mit dem Baby spazieren zu gehen – wenn Du das schaffst, hattest du zumindest eine Stunde für Dich an der frischen Luft – idealerweise mit einem guten Hörbuch im Ohr. Die Wochen vergehen ohne größere Katastrophe. Dein Baby lernt jeden Tag etwas dazu und eines Morgens lächelt es Dich das erste Mal an. Du stellst überrascht fest: Die Zeit vergeht rasend schnell!

Schon kann man mit der Kleinen spielen und Quatsch machen. Wenn sie vor Freude quietscht oder Dir mit niedlichem Gebrabbel antwortet, geht Dir das Herz auf. Die Nächte, in denen der Wuzel selig auf Deinem Bauch einschläft sind gezählt. Du musst jeden Moment auskosten, denn im nächsten hat sie sich schon wieder verändert. Und so stellt sich ganz langsam im ganz neuen Leben eine ganz neue Routine ein und ganz allmählich tun sich kleine Zeitfenster auf, in denen Du wieder an das Schreiben denken kannst. Dieser Blog-Post macht den Anfang!

Aber kann ich jetzt weiter schreiben als hätte sich nichts geändert? Sicher nicht! Die Ereignisse der letzten Wochen haben mein Leben umgekrempelt und werden auch mein Schreiben verändern. Wie haben die Frauen im 19. Jahrhundert ihre Baby gemanaged? Baby mussten doch auch früher den ganzen Tag essen und die Windel voll machen. Wo haben die die Zeit für ihre anderen arbeiten hergezaubert? Kann ich meiner Protagonistin wirklich Zwillinge zumuten? Das klang bis vor kurzem romantisch und jetzt eher nach einer Horrorvorstellung.

Mein Leben hat sich auf den Kopf gestellt – oder besser gesagt, stellt sich ständig neu auf den Kopf. Denn drei Sachen sind sicher: Seit 11 Wochen bin nicht mehr ich Chefin meines Lebens – das ist jetzt unsere Kleine. Das Leben mit ihr bleibt ständig spannend, weil sie sich jeden Tag verändert. Und last but not least: Ich bin fest entschlossen, jeden Tag zu nehmen wie er kommt und jeden besonderen Moment zu genießen! Dazu gehört hoffentlich auch, bald wieder an meinem Buch weiterzuarbeiten.

P.S. Natürlich ist der Artikel etwas überspitzt formuliert – aber extreme Zeiten fordern extreme Texte 😉