Regeln für Autoren – Muss ich mich an diese halten?

Regeln für Autoren – Muss ich mich an diese halten?

24. Oktober 2023 0 Von Valentina Baumgartner

Wie erzählt man eine gute Geschichte? Was macht eine gute Szene aus? Eine gute Hauptfigur? Welche Fähigkeiten muss ein Autor mitbringen, damit seine Ideen Wirkung auf die Leser haben?

Als ich beschlossen habe, mir meine Geschichten nicht nur in meinem Kopf auszudenken, sondern sie auch zu Papier zu bringen, habe ich begonnen, mich näher mit dem Schreiben als Handwerk auseinanderzusetzen.

Ein paar Regeln sind mir dabei immer wieder untergekommen. Ich habe sie ausprobiert, um zu sehen, wann sie für mich funktionieren – und wann nicht.

Hier drei Regeln für Autoren, die ich für mich selbst angepasst habe, weil sie mir in ihrer ursprünglichen Version nicht weitergeholfen haben.

Regel 1: Schreibe jeden Tag

Diese Regel macht sehr viel Sinn.

Schreiben ist ähnlich wie ein Instrument zu spielen.  Diese Fähigkeit kann nur verbessert werden, wenn man sie regelmäßig übt. Setzt man sich nach längerer Pause wieder daran, merkt man, dass man ein Stück nicht mehr spielen kann, das man zuvor noch fehlerfrei beherrscht hatte.

Oder – im Falle des Schreibens – dass einem der Text nicht mehr gefällt, dass man nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, oder dass man eine neue Idee hat, die sich viel besser eignen würde.

Man wird unsicher, frustriert, muss wieder von vorne anfangen.

Schreiben wird einfacher, wenn man im Flow bleibt. Wenn man regelmäßig schreiben kann.

Aber täglich?

Für viele ist das nicht möglich. Neben Arbeit, Familie und Freunden hat man manchmal einfach keine Zeit mehr. So geht es mir auch.

Ich schreibe daher nicht täglich, sondern etwa 3 bis 4 mal wöchentlich. Manchmal mache ich auch eine komplette Woche Pause, manchmal auch zwei. Das gönne ich mir inzwischen.

Wichtig für mich ist nicht die Regel „Schreibe jeden Tag“ zu verinnerlichen, denn sie ist für mich einfach nicht praktikabel. Viel wichtiger ist es, Strategien zu entwickeln, wie ich nach einer längeren Pause wieder Motivation zum Schreiben finde:

Lesen statt Serien oder Filme zu schauen – das regt meine Fantasie viel mehr an

Einen Soundtrack für mein Buch erstellen – immer, wenn ich die Lieder höre, bin ich wieder inspiriert weiterzuschreiben

Meine Geschichte nicht zu ernst nehmen – was ich schreibe, muss nicht perfekt sein. Ich füge einen Satz ein, wie zum Beispiel: „Blablabla… hier sagen sie irgendwas Schlaues“ und schreibe einfach weiter

Gemeinsam mit anderen schreiben – in Person oder virtuell. Andere dabei zu beobachten, wie sie konzentriert arbeiten, motiviert auch mich

Regel 2 : Show don’t tell

Diese Regel kennt jeder Autor, denn sie wird fast in jedem Schreibratgeber gepredigt. Aber diese Regel hat mich schon von Anfang an verwirrt. Denn sie ist eigentlich für Drehbuchautoren gedacht.

Die Theorie ist, dass man sich als Zuschauer besser in einen Charakter einfühlen kann, wenn dessen Emotionen nicht benannt, sondern in einer Handlung ausgedrückt werden.

„Tell“ wäre also, wenn der Charakter direkt sagen würde „Ich bin sauer.“

„Show“ ist, dass der Schauspieler diesen Zorn zeigt. Er ballt seine Fäuste, antwortet mit zusammengebissenen Zähnen, verlässt türenknallend den Raum.

Aber eine geschriebene Geschichte funktioniert anders als ein Film. In einem Buch gibt es viel mehr Ebenen, auf denen Emotionen ausgedrückt werden können.

Daher ging mir die Regel „Show don’t tell“ nie weit genug. Versuche ich, alle Emotionen meiner Charaktere zu zeigen, rutsche ich ab in Klischees. Sie ballen immer wieder ihre Fäuste, heben ihre Augenbrauen, seufzen, haben zitternde Hände.

Für mich war es wichtig zu lernen, auf welche Ebenen ich Gedanken und Gefühle ausdrücken kann und was das mit den Lesern macht.

Das ist die Skala, die mir dabei hilft. Von oberflächlich (der Leser versteht, aber fühlt nicht mit) zu tief (der Leser interpretiert, kann sich hineinfühlen):

Benennen: Sie war sauer.

Körperreaktionen: Sie ballte die Fäuste, presste die Lippen aufeinander.

Handlung: Sie verließ das Zimmer, warf die Tür ohne Rücksicht auf die Nachbarn mit einem lauten Knall hinter sich zu.

Innerer Monolog: Was für ein Wicht. Hätte sie das gewusst, sie hätte sich niemals auf ihn eingelassen, wäre niemals zu ihm gezogen.

Bild: Aber hinter all ihrem Zorn, der sie Türen knallen ließ, der sie schimpfen, fluchen, laut davonlaufen ließ, kroch etwas anderes hervor. Etwas Gemeineres, etwas Unbeschreiblicheres. Ein kleiner Gedanke, der sich in ihrem Inneren breit gemacht hatte, seit sie auf dem Pausenhof in der Grundschule mit sich selbst spielen hatte müssen. Lag es an ihr? War sie es nicht wert, geliebt zu werden?

Nicht jede Ebene dieser Skala ist für jede Szene geeignet. Je wichtiger ein Gefühl ist, desto tiefer sollte es ausgedrückt werden. Manchmal darf ein Gefühl einfach nur benannt werden. Manchmal gezeigt. Manchmal ist es aber auch wichtig, noch ein paar Ebenen tiefer zu gehen, damit ein Leser wirklich in die Gefühlswelt des Charakters hineinblicken kann.

Regel 3: Eine Figur braucht ein Ziel, ein Hindernis, eine Wunde und Stärken und Schwächen

Diese letzte Regel finde ich sehr wichtig, um Figuren mit Tiefe zu entwerfen, die aktiv in einer Geschichte handeln, nicht nur von den Ereignissen mitgerissen werden.

Viele Schreibratgeber empfehlen daher, sich vor dem Schreiben der Geschichte Gedanken zu machen, was das Ziel, das Hindernis und die Wunde einer Figur sein könnte. Und was deren Stärken und, viel wichtiger noch, deren Schwächen.

So gut ich diesen Ratschlag finde, er bringt auch ein paar Fallen mit sich, in die ich erst tappen musste, bevor ich es besser machen konnte:

Charaktereigenschaften sind zu abstrakt

Denkt man vor dem Schreiben der Geschichte darüber nach, was die Persönlichkeit einer Figur ausmacht, führt das häufig dazu, dass ein Charakter sehr abstrakt und gestelzt wirkt. Was macht die Figur denn willensstark, kontaktfreudig und freundlich, aber gleichzeitig auch anmaßend und laut? Wie drückt sich das aus? Wie reagiert sie in welcher Situation?

Über Stärken und Schwächen einer Figur mache ich mir vor dem Schreiben eigentlich keine Gedanken mehr. Ich versuche erst ein paar Szenen auf das Papier zu bringen, damit lerne ich meine Charaktere viel besser kennen.

Meine Figuren haben zu viele Ziele

Die meisten Figuren – zumindest die Hauptfiguren – verfolgen nicht nur ein Ziel. Es gibt viele verschiedene Arten: Inneres und äußeres Ziel, Ziel einer Szene, Ziel bis zu den Wendepunkten, Ziele der einzelnen Handlungsstränge.

Beim Entwurf einer Geschichte muss ich darauf achten, mich nicht in jedes kleine Detail zu verlieren. Wo will die Figur am Ende stehen? Weshalb? Und wie kommt sie da hin? Das reicht erstmal schon für die grobe Planung.

Der Antagonist ist nur ein weiteres Hindernis von vielen

Wie beim Ziel auch, gibt es in jeder längeren Geschichte eigentlich mehrere Hindernisse.

Das größte Hindernis ist meist der Antagonist. Bei diesem Charakter mache ich mir weniger Gedanken dazu, wie der Gegenspieler als Hindernis für meinen Hauptcharakter agiert. Sondern mehr darüber, was die Ziele des Antagonisten sind. Wie er diese erreichen will. Und wie das im Gegensatz steht zum Hauptcharakter.

Die innere Wunde ist zu dramatisch

Das größte Problem hierbei ist, dass die Hintergrundgeschichten meiner Charaktere oft sehr dramatisch werden. Plötzlich sind sie Waisenkinder, mussten vor einem Krieg fliehen, sind drogenabhängig oder hatten einen schrecklichen Unfall.

Ich mag diese dramatischen Erzählungen, muss mich dabei aber auch immer wieder fragen, ob ich zu diesen Backstories greife, weil sie das Erste sind, was mir einfällt. Oder ob sie wirklich Sinn machen für die Geschichte, die ich jetzt erzählen will.

Alles in allem ist die wichtigste Regel beim Schreiben für mich vor allem eins: Ausprobieren statt zu Studieren.

Wie beim Lernen eines Musikinstruments: Man lernt nicht zuerst die komplette Musiktheorie zu Harmonien und Rhythmus. Man beginnt mit einfachen Liedern, lernt Bewegungsabläufe. Und während man sein Niveau stetig steigert, lernt man nebenher Schritt für Schritt immer mehr Theorie, probiert sie selbst aus.

Damit kann man dann langsam wagen, Lieder zu improvisieren und Neues zu erschaffen.


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