Kurzgeschichte: Teddybär

Kurzgeschichte: Teddybär

14. Januar 2024 0 Von Valentina Baumgartner

Diese Kurzgeschichte ist aus fünf zufälligen Wörtern entstanden, die ein paar Autorenfreundinnen und ich als Schreibübung festgelegt haben. Jede von uns durfte ein Wort beisteuern, jeweils das erste Wort, dass uns in dem Moment in den Sinn kam.

Das waren die fünf Wörter: Teddybär, Wettlauf, Gefrierfach, Tannenbaum, Tintenfass

„Warum liegt ein Teddybär in unserem Gefrierfach?“, frage ich. Die leeren Knopfaugen des Bären starren mich direkt an. Seine Ärmchen sind etwas verrenkt, da er sonst nicht in das überfüllte Fach gepasst hätte. Er streckt mir seine Kuscheltierhände entgegen.

„Weiß nicht“, meint Emma, ohne von ihrem Handy aufzuschauen. Im Schneidersitz sitzt sie an unserem kleinen Küchentisch, trinkt ihren Zitronentee. „Du hattest den gestern dabei, als du nach Hause gekommen bist. Später habt ihr den Teddy da reingesteckt. Felix und du.“

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Aber Emma wird Recht haben. Sie trinkt keinen Alkohol.

Ich nehme die Packung Toast aus dem Gefrierfach, nach der ich gesucht habe. Die Augen des Bären verfolgen mich, als ich die Klappe wieder schließe.

„Willst du auch einen Toast?“, frage ich sie.

„Darf ich das essen? Wegen dem Marathon?“

Ich zucke mit den Schultern. „Ist Vollkorn…“ Ich hebe die Packung hoch, damit sie die Aufschrift sehen kann.

„Okay, aber nur eine Scheibe.“ Emmas Blick wandert wieder zurück zu ihrem Handy.

Seit einem halben Jahr trainiert sie schon für den Wettlauf. Nach ihrer Trennung hat sie sich vorgenommen, ein gesünderes Leben anzufangen. Das zieht sie jetzt durch.

Ich schiebe ein paar leere Bierflaschen aus dem Weg, damit ich den Toaster auf unsere Küchentheke stellen kann. Von dem abgestandenen Geruch, der aus den Flaschen kommt, wird es mir wieder schlecht. Plötzlich habe ich Lust auf einen warmen Kakao. Das hatte ich ewig schon nicht mehr. Ich hole Milch aus dem Kühlschrank und schnuppere hinein. Riskant, aber sie ist zum Glück noch gut. Ab in den Topf damit.

„Meinst du, Felix will auch frühstücken?“, frage ich.

Emma schaut auf die Uhr, die etwas schief über unserer Küchentür hängt. Es ist zwei Uhr nachmittags. „Wahrscheinlich hat er auch langsam Hunger…“, meint sie.

„Passt du auf meine Milch auf?“ Ich verlasse die Küche, mache dabei einen großen Schritt über eine eingetrocknete Pfütze auf dem Boden. Sieht nach verschüttetem Bier aus.

Unser Gang ist riesig für die kleine Wohnung, die wir uns zu dritt teilen. Wir haben ihn umfunktioniert in ein Wohnzimmer. Ein altes Ledersofa, das wir im Straßenrandsperrmüll gefunden haben, bildet das Zentrum. Daneben liegt unser Weihnachtsbaum, der bald alle seine Nadeln verloren hat. Ich erinnere mich dunkel daran, dass einer unserer Gäste gestern Nacht versucht hat, sich daran festzuhalten, um nicht umzufallen. Dabei hat er den Tannenbaum mit umgerissen. Ich gehe daran vorbei.

Weitere leere Flaschen stehen fein säuberlich aufgereiht den ganzen Flur vor bis zu unserer Eingangstür. Irgendjemand hat sich hier richtig Mühe gegeben, sie sind sogar farblich sortiert.

Ich klopfe an Felix‘ Tür, keine Antwort. Ich hämmere dagegen, wobei mein dröhnender Kopf mir sagt, dass ich das besser lassen soll. Ein leises Brummen kommt aus Felix‘ Zimmer.

Ich öffne die Tür und bereue es sofort. Dort riecht es, als sei jemand gestorben. Ich halte die Luft an. „Willst du frühstücken?“, frage ich.

Felix richtet sich in seinem Bett auf, blinzelt mir mit alkoholgeschwollenen Augen entgegen. „Gerne.“ Die Wände seines Zimmers sind voll geklebt mit seinen Zeichnungen. Auf seiner Bettwäsche prangt ein schwarzer Fleck von damals, als uns das Tintenfass umgefallen war. Felix ist Kunststudent und malt immer im Bett.

Danach hatten wir beschlossen, dass wir doch einfach Mitbewohner bleiben sollten.

Es klingelt. Ich bin mir recht sicher, dass Emma nicht gehen wird. Sie mag keinen unangekündigten Besuch.

„Ich mach dir ein paar Toasts“, sage ich und schließe Felix‘ Tür wieder. Es klingelt ein weiteres Mal.

„Komme!“, rufe ich und eile den Gang nach vorne. Ich muss erst ein paar Jacken und Schuhe aus dem Weg räumen, damit ich die Wohnungstür aufbekomme.

Vor mir steht eine Frau mit kurzen blonden Haaren und Daunenjacke. An ihrer Hand ein kleines Mädchen, vielleicht fünf Jahre. Die Frau zögert kurz, als sie die aufgereihten Alkoholflaschen im Gang hinter mir sieht. „Haben Sie vielleicht einen kleinen Teddybären im Treppenhaus gefunden?“, fragt sie dann. „Er muss uns gestern aus der Tasche gefallen sein.“

Aha, daher hatte ich also den Teddy. „Ja.“ Ich nicke, lächle dem kleinen Mädchen zu, das seinen Kopf einzieht und etwas näher an ihre Mutter rückt. „Einen Moment!“

Kurz überlege ich, ob ich die Tür zumachen soll, während ich das Kuscheltier holen gehe. Damit sie das Chaos im Gang nicht zu genau betrachten. Aber eigentlich ist es egal. Ich lasse sie offen.

In der Küche hole ich den Teddybären aus dem Gefrierfach. „Der gehört einer Nachbarin“, erkläre ich Emma, die nicht einmal von ihrem Handy aufschaut. „Schaust du auf meine Milch?“, frage ich sie und laufe wieder durch den Gang.

„Ist das deiner?“, frage ich das Mädchen und gehe vor ihr in die Hocke. Sie schnappt mir das Kuscheltier aus der Hand, drückt ihr Gesicht hinein.

„Er riecht komisch…“, flüstert sie ihrer Mutter zu.

Die weiß nicht, was sie sagen soll. Ich auch nicht. Ich verschweige besser, dass wir den die Nacht über in das Gefrierfach gestopft haben.

„Na dann… Vielen Dank“, meint die Mutter schließlich.

„Kein Problem!“

Hinter mir in der Wohnung höre ich das Zischen von heißer Flüssigkeit auf einer Herdplatte. „Verdammte Scheiße!“ Emmas Fluchen. Der Geruch von verbrannter Milch zieht uns entgegen.

„Jedenfalls… Das ging gestern ja schon recht lang. Bitte das nächste Mal etwas leiser“, meint die Frau, dann wendet sie sich schnell mit ihrer Tochter um.

„‘Tschuldigung!“, rufe ich hinterher, hebe meine Hand zum Gruß.

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